An Callirhoen
XLI.
Wie kompts Callirhoe? was mag die Vrsach seyn /
Daß du mich gestern hast so traurig angeblicket:
Wie daß du alle Lust und Freundligkeit verschicket?
War meine Gegenwart ein Vrsprung neuer Pein?
Verdroß dich Flacci Kuß? fürwar ich meyne nein /
Hat dich der süße Schlaff verzaubert und umbstricket!
Hat dich der grimme Schmertz die Libes-Pest gedrücket?
Mißfil dir / was ich sprach? mir fällt die Vrsach ein:
Da als dein Schlaff-Gemach ward von uns eingenommen;
Da / sind wir wehrte Nymph, dir vil zu nahe kommen.
Woll / folge meinem Rath wo du dich rächen wilt.
Wenn sich die schwartze Nacht wird für dem Monden schämen:
Magst du / mein Schlaf-Gemach / ja selbst mein Bett’ einehmen.
Die Rach’ ist mehr denn recht die gleich mit gleich vergilt.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „An Callirhoe“ von Andreas Gryphius ist ein Liebesgedicht, das die Unsicherheit und das Rätselraten um die Gefühlswelt der Geliebten thematisiert. Der Dichter wendet sich an Callirhoe und versucht, die Ursache für deren traurigen Blick und den Verlust jeglicher Freude zu ergründen. Die Fragen, die er stellt, offenbaren seine Verwirrung und sein Bedürfnis nach Klarheit in der Beziehung. Er sucht nach Gründen für das Verhalten seiner Geliebten, wobei er sowohl äußere Einflüsse als auch sein eigenes Handeln in Betracht zieht.
Die im Gedicht verwendete Sprache ist typisch für die Barockzeit: reich an rhetorischen Fragen, Metaphern und Anspielungen. Die Formulierung „War meine Gegenwart ein Vrsprung neuer Pein?“ deutet auf die Möglichkeit hin, dass er selbst die Ursache für Callirhoes Betrübtheit sein könnte. Der Dichter wirft verschiedene Szenarien auf, um das Verhalten Callirhoes zu erklären, darunter auch die Wirkung von Liebe oder Schmerz. Er fragt, ob ein Kuss, der Schlaf oder sein Verhalten die Ursache sind. Dadurch wird die Komplexität der zwischenmenschlichen Beziehungen und die Schwierigkeit, die wahren Gefühle des anderen zu erkennen, deutlich.
Im zweiten Teil des Gedichts kommt eine Wendung, die eine mögliche Ursache für Callirhoes Verhalten andeutet. Der Dichter erinnert sich an ein Zusammentreffen, bei dem sie ihm „zu nahe“ gekommen sind. Diese Formulierung deutet auf eine intime Begegnung hin, die Callirhoe möglicherweise unangenehm war oder die sie emotional überfordert hat. Die Zeilen, in denen der Dichter Callirhoe auffordert, sich zu rächen, indem sie sein Schlafzimmer oder gar sein Bett einnimmt, zeigen eine gewisse Ironie und eine spielerische Auseinandersetzung mit dem Thema der Rache und der Liebe. Dies deutet auf eine Versöhnung und eine gegenseitige Wertschätzung hin.
Die letzte Strophe, in der die Rache durch das „Gleiche mit Gleichem vergelten“ empfohlen wird, ist ein spielerischer Abschluss, der die Unsicherheiten der Beziehung und die Sehnsucht nach einem Gleichgewicht der Gefühle widerspiegelt. Der Dichter scheint die Situation zu ironisieren und die Möglichkeit einer Wiederannäherung auf humorvolle Weise anzuregen. Das Gedicht zeugt somit von Gryphius‘ Fähigkeit, die Gefühlswelt in all ihren Widersprüchen und Nuancen darzustellen.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.