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Am Guadalquivir

Von

Wo bist du, Wunderbau der Omajaden,
Az-Zahra, zauberisch am Silberfaden
Des rauschenden Guadalquivir gedehnt?
Braut Abdurrahmans, in der Schattenkühle
Des Mandelhaines auf die Rosenpfühle
Der Uferhügel hingelehnt?

Wo sind die Feste unter Myrtenlauben
Bei Brunnenrieseln und Gegirr der Tauben,
Bei Lampenglühn und buntem Wimpelflug,
Wenn auf dem Strom, in den krystallnen Tiefen
Die Lorbeerschatten spaltend, den Kalifen
Die schimmernde Galeere trug?

Wo deine Gärten längs des Uferrandes,
In denen mit den Feen des Abendlandes
Arabiens Peri sich besprach,
Wenn auf den blütenduftigen Terrassen
Voll weißer schimmernder Kiosks im blassen
Lichtschein der Sternenhimmel lag?

Und du, o Stadt der hochgewölbten Dome,
Milchstraßengleich mit deinem Häuserstrome
Auf deinen Erdenhimmel hingestreckt,
Fanal der Gläubigen, des Wissens Leuchte,
Die hellen Strahls zuerst das Dunkel scheuchte,
Das lang und tief die Welt bedeckt:

O Cordova! wo find′ ich deine Dichter,
Wo deine Schönen, glänzend wie die Lichter,
Die vom Serai der Nacht herniedersehn?
Wo sie, die mit dem Ruhm des Einig-Einen
Zum Himmel ragten aus den Cederhainen,
Die Halbmondkuppeln der Moscheen?

Gestürzt sind deine goldnen Minarete!
Der Isan schweigt! Nie mehr, wenn die Drommete
Die Gläubigen ermahnt zum heil′gen Kampf,
Entströmt das Heer der turbanbunten Mohren
Im eh′rnen Harnisch deinen hundert Thoren
Bei Allahruf und Roßgestampf.

Einsam inmitten deiner Trümmer ragen
Die Pfeiler, die das hehre Dach getragen,
Ein wipfelreicher Marmorwald;
Erloschen aber ist der Lampen Menge;
Nie mehr wallt Allah durch die Säulengänge,
Draus kein Gebet zu ihm mehr schallt;

Ein neuer Glaube füllt die Tempelhallen
Des Islam nun, die Stein auf Stein zerfallen,
Mit Orgelklang und Weihrauchqualm;
Bald stirbt auch er; des Hochaltars Gepränge
Deckt mählich Staub, und matt wie Grabgesänge
Verklingt der letzte Christenpsalm.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Am Guadalquivir von Adolf Friedrich Graf von Schack

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Am Guadalquivir“ von Adolf Friedrich Graf von Schack ist eine melancholische Elegie, die die Pracht und den Verfall der islamischen Stadt Cordoba in Spanien thematisiert. Es ist eine Reflexion über die Vergänglichkeit von Macht, Schönheit und Glauben, die sich in der Nostalgie des Sprechers und der detaillierten Beschreibung der untergegangenen Herrlichkeit widerspiegelt.

Die ersten Strophen beschwören die verlorene Pracht von Az-Zahra, dem Palastkomplex der Omajaden, und die malerische Umgebung des Guadalquivir-Flusses. Der Dichter ruft nach den glanzvollen Zeiten, den Festen, den Gärten und der schimmernden Galeere des Kalifen. Die Verwendung von Bildern wie „Silberfaden“, „Rosenpfühle“ und „krystallnen Tiefen“ erzeugt eine sinnliche Atmosphäre von Schönheit und Reichtum, die im Kontrast zum späteren Verfall steht. Die Frageform „Wo bist du?“ durchzieht das Gedicht und unterstreicht die Sehnsucht nach dem Vergangenen.

In der zweiten Hälfte des Gedichts wird der Fokus auf das heutige Cordoba, auf die verfallenen Dome und die verschwundenen Bewohner gelegt. Die „hochgewölbten Dome“ und der „Häuserstrome“ werden mit der Milchstraße verglichen, wodurch die Stadt einst als strahlendes Zentrum des Wissens und des Glaubens dargestellt wird. Die Suche nach den Dichtern und Schönen der Stadt, die in der Vergangenheit glänzten, verstärkt das Gefühl des Verlustes. Die Beschreibung der Zerstörung, des „gestürzten“ Minarettes und des verstummten Isan (Gebetsrufs) verdeutlicht den Niedergang der islamischen Herrschaft.

Der abschließende Teil des Gedichts erweitert das Thema der Vergänglichkeit. Der neue Glaube, das Christentum, hat die Tempelhallen des Islam übernommen, doch auch dieser wird dem Untergang geweiht sein. Die Zeilen über das „Staub“ bedeckende „Gepränge“ und das „Verklingen“ des „letzten Christenpsalms“ deuten auf einen Kreislauf von Aufstieg und Fall hin. Dies verstärkt die universelle Botschaft des Gedichts über die Unbeständigkeit aller irdischen Dinge und die letztendliche Überwindung durch die Zeit.

Schacks Gedicht ist somit eine elegische Auseinandersetzung mit der Geschichte und der menschlichen Existenz, die über die reine Beschreibung des Verfalls hinausgeht. Es ist eine Meditation über die Vergänglichkeit von Macht, Schönheit und Glauben, die durch die melancholische Sprache und die detailreiche Beschreibung der verlorenen Pracht eindringlich vermittelt wird. Die Frage nach dem Verbleib der Vergangenheit hallt durch das Gedicht und hinterlässt einen tiefen Eindruck über die Natur von Zeit und Erinnerung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.