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Dämmerstunde

Von

Im Sessel du, und ich zu deinen Füßen –
Das Haupt zu dir gewendet, saßen wir;
Und sanfter fühlten wir die Stunden fließen,
Und stiller ward es zwischen mir und dir;
Bis unsre Augen ineinandersanken
Und wir berauscht der Seele Atem tranken.

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Gedicht: Dämmerstunde von Theodor Storm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Dämmerstunde“ von Theodor Storm beschreibt in nur sechs Versen einen Moment inniger Nähe zwischen zwei Menschen. In ruhigem, fast träumerischem Ton entfaltet sich eine Szene der Zweisamkeit, die in ihrer Intimität und Stille eine große emotionale Tiefe erreicht. Der Titel weist bereits auf die Tageszeit hin, die symbolisch für Übergang, Verlangsamung und Versenkung steht – ein geeigneter Rahmen für die dargestellte Stimmung.

Die räumliche Anordnung – eine Person im Sessel, die andere zu ihren Füßen – ist ungewöhnlich zärtlich und zugleich symbolisch aufgeladen: Sie verweist auf Hingabe, Vertrautheit und eine stille Hierarchie der Zuneigung. Das Haupt des Sprechenden ist zur anderen Person gewendet, was auf eine bewusste, suchende Bewegung hindeutet. In dieser körperlichen Nähe beginnen die Stunden „sanfter“ zu fließen – die Zeit scheint sich aufzulösen, die Außenwelt tritt zurück.

Das Gedicht kulminiert in der Verschränkung der Blicke: „Bis unsre Augen ineinandersanken“. Dieser Moment der Versenkung, in dem sich die Individuen ganz aufeinander einlassen, führt zu einem Zustand, der als „berauscht“ beschrieben wird – nicht von Wein oder Worten, sondern vom „Atem der Seele“. Diese Wendung verleiht der Szene eine fast mystische Qualität: Die Liebe oder Nähe wird nicht nur als Gefühl, sondern als geistig-seelisches Erleben dargestellt.

In seiner Knappheit und Konzentration lebt das Gedicht von der Wirkung der Andeutung. Ohne Pathos, aber mit großer Sensibilität zeigt Storm einen Moment, in dem Nähe nicht durch Worte, sondern durch Stille und Blickkontakt entsteht. „Dämmerstunde“ ist damit ein poetisches Bild für ein erfülltes Innehalten – für eine Liebe, die sich in Stille und Seelentiefe vollzieht.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.