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Rückblick

Von

Es brennt mir unter beiden Sohlen,
Tret′ ich auch schon auf Eis und Schnee,
Ich möcht′ nicht wieder Atem holen,
Bis ich nicht mehr die Türme seh′.

Hab′ mich an jeden Stein gestoßen,
So eilt′ ich zu der Stadt hinaus;
Die Krähen warfen Bäll′ und Schloßen
Auf meinen Hut von jedem Haus.

Wie anders hast du mich empfangen,
Du Stadt der Unbeständigkeit!
An deinen blanken Fenstern sangen
Die Lerch′ und Nachtigall im Streit.

Die runden Lindenbäume blühten,
Die klaren Rinnen rauschten hell,
Und ach, zwei Mädchenaugen glühten. –
Da war′s gescheh′n um dich, Gesell!

Kommt mir der Tag in die Gedanken,
Möcht′ ich noch einmal rückwärts seh′n,
Möcht′ ich zurücke wieder wanken,
Vor ihrem Hause stille steh′n.

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Gedicht: Rückblick von Wilhelm Müller

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Rückblick“ von Wilhelm Müller handelt von der Sehnsucht nach einer vergangenen Liebe und den schmerzlichen Erinnerungen, die mit der Vergangenheit verbunden sind. Der Sprecher blickt auf seine Zeit in einer Stadt zurück, die er verlassen hat, und die er nun mit gemischten Gefühlen betrachtet. Die anfängliche Distanzierung von der Stadt, symbolisiert durch das Gefühl des Brennens unter den Sohlen und den Wunsch, die Türme nicht mehr zu sehen, wandelt sich in eine Sehnsucht nach der Vergangenheit und besonders nach der Frau, die er dort geliebt hat.

Die ersten beiden Strophen beschreiben die Flucht des Sprechers aus der Stadt. Die Kälte des Eises und Schnees unterstreicht die innere Kälte und den Wunsch nach Distanz. Die Bilder von Stürzen und Krähen symbolisieren die negativen Erfahrungen und Ablehnung, die er in der Stadt erfahren hat. Der rasche Gang des Sprechers deutet auf eine verzweifelte Flucht hin, die von dem Wunsch getrieben wird, der Vergangenheit zu entkommen. Die Stadt wird als Ort der Ablehnung und des Leids dargestellt.

In den folgenden Strophen wird die Erinnerung an die Stadt jedoch differenzierter. Die Beschreibung der „Unbeständigkeit“ der Stadt und die Erinnerung an die singenden Vögel und die blühenden Bäume zeigen, dass es auch schöne Momente gab. Der Sprecher erinnert sich an die positiven Aspekte der Stadt, die seine anfängliche Abneigung relativieren. Entscheidend ist hier der Hinweis auf die „Mädchenaugen“, die sein Schicksal besiegelten. Diese Zeile markiert den Beginn der eigentlichen Sehnsucht nach der vergangenen Liebe.

Die letzte Strophe offenbart die eigentliche Essenz des Gedichts: die Sehnsucht nach der Frau und der vergangenen Liebe. Der Sprecher möchte sich noch einmal rückwärts wenden und vor ihrem Haus stehen. Dies zeigt, dass die anfängliche Ablehnung und Flucht von dem Schmerz und der Trauer über den Verlust der Liebe überlagert werden. Die letzten Zeilen verdeutlichen das Dilemma des Sprechers, der zwischen dem Wunsch, die Vergangenheit zu vergessen, und der Sehnsucht, sie noch einmal zu erleben, hin- und hergerissen ist. Das Gedicht ist somit ein berührendes Zeugnis der menschlichen Erfahrung von Liebe, Verlust und Sehnsucht.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.