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Gute Nacht

Von

Fremd bin ich eingezogen,
Fremd zieh′ ich wieder aus.
Der Mai war mir gewogen
Mit manchem Blumenstrauß.
Das Mädchen sprach von Liebe,
Die Mutter gar von Eh′ –
Nun ist die Welt so trübe,
Der Weg gehüllt in Schnee.

Ich kann zu meiner Reisen
Nicht wählen mit der Zeit:
Muß selbst den Weg mir weisen
In dieser Dunkelheit.
Es zieht ein Mondenschatten
Als mein Gefährte mit,
Und auf den weißen Matten
Such′ ich des Wildes Tritt.

Was soll ich länger weilen,
Bis man mich trieb′ hinaus?
Laß irre Hunde heulen
Vor ihres Herren Haus!
Die Liebe liebt das Wandern, –
Gott hat sie so gemacht –
Von Einem zu dem Andern –
Fein Liebchen, Gute Nacht!

Will dich im Traum nicht stören,
Wär′ Schad′ um deine Ruh′,
Sollst meinen Tritt nicht hören –
Sacht, sacht die Thüre zu!
Ich schreibe nur im Gehen
An′s Thor noch gute Nacht,
Damit du mögest sehen,
Ich hab′ an dich gedacht.

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Gedicht: Gute Nacht von Wilhelm Müller

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Gute Nacht“ von Wilhelm Müller ist das erste Gedicht aus der berühmten Winterreise, einem Zyklus von Gedichten, die von Franz Schubert vertont wurden. Es ist ein Abschiedslied, das die Trennung des lyrischen Ichs von seiner Geliebten thematisiert. Es drückt Melancholie, Einsamkeit und die Akzeptanz des Schicksals aus. Der Wanderer verlässt die Welt, in der er kurz Heimat fand, und zieht hinaus in die winterliche, kalte Natur.

Das Gedicht beginnt mit der Feststellung der Fremdheit des lyrischen Ichs – sowohl beim Ankommen als auch beim Weggehen. Diese Fremdheit wird durch das Wechselspiel von Hoffnung und Enttäuschung in der Vergangenheit unterstrichen: Der Mai, der mit Blumensträußen die Liebe verheißen hatte, weicht nun der trüben Welt und dem verschneiten Weg. Das Mädchen, das ihm Liebe versprach, und die Mutter, die von Heirat sprach, sind nun Vergangenheit. Die Natur, insbesondere der Schnee, spiegelt die innere Gefühlslage des Wanderers wider: Kälte, Isolation und Hoffnungslosigkeit.

Im zweiten Teil wird die erzwungene Reise fortgesetzt. Der Wanderer hat keine Wahl und muss seinen Weg in der Dunkelheit suchen. Ein Mondenschatten begleitet ihn, ein Symbol für Einsamkeit und die Suche nach Orientierung in einer hoffnungslosen Situation. Die Suche nach dem Tritt des Wildes, also nach einem Weg durch den Schnee, steht für die Suche nach einem Ausweg, nach einer Spur in der Einsamkeit. Die Natur wird zum Spiegelbild seiner inneren Zerrissenheit und Verzweiflung.

Die abschließende Strophe ist geprägt von Abschied und Akzeptanz. Der Wanderer will nicht länger verweilen und die Hunde des Hauses sollen heulen, ein Zeichen der Verzweiflung. Die Liebe wird als Wanderlust dargestellt, als ein von Gott gegebenes Schicksal, das den Menschen von einem zum anderen treibt. Der Abschied von der Geliebten ist geprägt von Rücksichtnahme und dem Wunsch, sie nicht zu stören. Durch das Aufschreiben des Abschiedsgrußes an das Tor zeigt er, dass er in Gedanken bei ihr bleibt, auch wenn er sich verabschiedet. Die „Gute Nacht“ ist ein Zeichen der Liebe und des Abschieds, ein stiller Gruß, der in der Einsamkeit der Nacht erklingt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.