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Ich möchte Purpurstreifen spannen…

Von

Ich möchte Purpurstreifen spannen
und möchte füllen bis zum Rand
mit Balsamöl aus Onyxkannen
die Blumenlampe, die entbrannt
im Mittag flammen, und verbrennen
bis wir uns mit dem Namen nennen,
der Sterne ruft und Tage bricht;
die Täler taun, die Winde fallen
den Dingen in den Schoß und allen
ist bang nach deinem Angesicht.

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Gedicht: Ich möchte Purpurstreifen spannen... von Rainer Maria Rilke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ich möchte Purpurstreifen spannen…“ von Rainer Maria Rilke drückt ein tiefes Verlangen nach einer intensiven, fast ekstatischer Erfahrung aus, die das Hier und Jetzt transzendiert und eine Sehnsucht nach Vereinigung und dem Erleben des Göttlichen offenbart. Das lyrische Ich artikuliert eine überwältigende Sehnsucht, die sich in kraftvollen Bildern und symbolischen Handlungen manifestiert. Die Vorstellung von Purpurstreifen, die gespannt werden sollen, deutet auf eine ambitionierte, umfassende Geste hin, ein Projekt, das weit über das Alltägliche hinausgeht und eine Welt der Schönheit und des Überflusses schaffen will.

Das Gedicht ist stark von der Symbolik der Farben und Materialien geprägt. Das Purpur, als Farbe der Könige und des Übernatürlichen, deutet auf eine Erhebung und Verklärung des Selbst hin. Das Füllen der Blumenlampe mit Balsamöl aus Onyxkannen verstärkt diesen Eindruck der Opulenz und des Luxus. Diese Bilder weisen auf eine rituelle Vorbereitung hin, eine Art Einweihung in ein Mysterium. Das „Verbrennen“ in der Mittagssonne symbolisiert eine Auflösung im göttlichen Feuer, eine Hingabe des Selbst, um eine tiefere Wahrheit zu erfahren. Die Mittagssonne, als Inbegriff der Intensität und des Zenits, wird hier zum Schauplatz der Selbstaufopferung.

Die zweite Strophe verlagert den Fokus von der persönlichen Handlung zur universellen Wirkung des Erlebten. Der Wunsch, sich mit dem Namen zu nennen, „der Sterne ruft und Tage bricht“, deutet auf die Erlangung eines höheren Wissens, einer göttlichen Offenbarung. Dieser Name ist das Schlüsselwort zur Erschließung der universellen Ordnung. Die anschließende Beschreibung des Umfelds – „die Täler taun, die Winde fallen“ – verdeutlicht die transformative Kraft dieser Erfahrung. Die Natur wird durch diese Erfahrung beeinflusst und die Dinge scheinen sich in Ehrfurcht zu senken.

Der letzte Vers, „ist bang nach deinem Angesicht“, enthüllt das Ziel des Gedichts: die Sehnsucht nach der Begegnung mit dem „Du“, dem Göttlichen oder der geliebten Person. Die „Bang“ deutet auf eine Mischung aus Furcht und Sehnsucht hin. Diese Erfahrung, die durch die beschriebenen Handlungen angestrebt wird, zielt auf eine Vereinigung mit dem Absoluten ab, einem Zustand höchster Erfüllung und Erkenntnis. Rilkes Gedicht ist somit eine Metapher für die menschliche Suche nach Sinn, nach Transzendenz und nach der Erfahrung des Göttlichen. Es ist ein Ausdruck des Verlangens, die Grenzen des eigenen Ich zu überschreiten und sich in einer allumfassenden Liebe zu vereinen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.