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Die Treppe der Orangerie

Von

Versailles

Wie Könige die schließlich nur noch schreiten
fast ohne Ziel, nur um von Zeit zu Zeit
sich den Verneigenden auf beiden Seiten
zu zeigen in des Mantels Einsamkeit -:

so steigt, allein zwischen den Balustraden,
die sich verneigen schon seit Anbeginn,
die Treppe: langsam und von Gottes Gnaden
und auf den Himmel zu und nirgends hin;

als ob sie allen Folgenden befahl
zurückzubleiben, – so daß sie nicht wagen
von ferne nachzugehen; nicht einmal
die schwere Schleppe durfte einer tragen.

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Gedicht: Die Treppe der Orangerie von Rainer Maria Rilke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Treppe der Orangerie“ von Rainer Maria Rilke ist eine Betrachtung über Erhabenheit, Einsamkeit und die unaufhaltsame Bewegung der Zeit, dargestellt durch die Metapher einer majestätischen Treppe. Das Gedicht beschreibt die Treppe als etwas, das über die Welt hinausgeht, sowohl physisch als auch metaphorisch. Die Treppe wird mit Königen verglichen, die ziellos schreiten, nur um gesehen zu werden, was ein Gefühl von Entfremdung und leerer Pracht erzeugt. Die Beschreibung der Treppe als „allein zwischen den Balustraden“ unterstreicht das Gefühl der Isolation, welches sowohl die Treppe als auch die Könige teilen.

Die zweite Strophe vertieft die spirituelle Dimension des Gedichts. Die Treppe steigt „langsam und von Gottes Gnaden“ und ist gleichzeitig „auf den Himmel zu und nirgends hin“. Diese Ambivalenz deutet auf eine Transzendenz hin, die zugleich unerreichbar ist. Die Treppe scheint einen Weg zu weisen, der aber in eine unbestimmte Richtung führt, was die Suche nach Sinn und die menschliche Existenz im Allgemeinen widerspiegelt. Die Formulierung „von Gottes Gnaden“ verleiht der Treppe eine Aura der Heiligkeit und der Unberührbarkeit, als wäre sie von einer höheren Macht auserkoren.

Die letzte Strophe verstärkt das Gefühl der Isolation und der Überlegenheit. Die Treppe scheint allen, die ihr folgen könnten, Befehle zu erteilen, zurückzubleiben. Die Formulierung „so daß sie nicht wagen“ und der Hinweis darauf, dass „die schwere Schleppe“ nicht getragen werden darf, suggerieren eine unausgesprochene Ehrfurcht und eine Kluft zwischen der Treppe und der Welt darunter. Dies kann als eine Metapher für die Unzugänglichkeit der wahren Größe und die Einsamkeit derer interpretiert werden, die sie verkörpern, sei es Könige oder die Treppe selbst.

Rilkes Gedicht ist ein Meisterwerk der Beobachtung und der Verdichtung. Es vereint die äußere Erscheinung der Treppe mit einer tiefgründigen Reflexion über menschliche Erfahrung. Das Gedicht lädt den Leser dazu ein, über die Bedeutung von Macht, Isolation und dem unaufhaltsamen Fluss der Zeit nachzudenken. Die Verwendung von eindringlichen Bildern und einer melodischen Sprache verstärkt die Wirkung des Gedichts und macht es zu einem ergreifenden Denkmal für die menschliche Suche nach Bedeutung.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.