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Durch Barbarei, Arabia

Von

Durch Barbarei, Arabia,
durch Harmanei in Persia,
durch Tartarei in Suria,
durch Romanei in Türggia,
Ibernia, der sprüng hab ich vergessen.
Durch Preussen, Reussen, Eiffenlant,
gen Litto, Liffen, übern strant,
gen Tenmark, Sweden, in Prabant,
durch Flandern, Frankreich, Engelant,
und Schottenlant hab ich lang nicht gemessen.
Durch Arragun, Kastilie,
Granaten und Afferen,
auss Portigal, Ispanie
pis gen dem vinstern steren,
von Provenz gen Marsilie –
in Races pei Saleren,
daselben plaib ich in der e,
mein ellend da zu meren
vast ungeren.
Auff ainem kofel rund und smal,
mit dickem wald umbvangen,
vil hoher perg und tieffe tal,
stain, stauden, stück, snestangen,
der sich ich täglich ane zal.
noch aines zwingt mich pangen,
das mir der klainen kindlin schal
mein oren dick bedrangen
hat durchgangen.

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Gedicht: Durch Barbarei, Arabia von Oswald von Wolkenstein

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Durch Barbarei, Arabia“ von Oswald von Wolkenstein ist eine Reisebeschreibung, die sich in Form einer Liedstrophe präsentiert. Es beginnt mit der Aufzählung einer Vielzahl von Orten, die der Autor bereist hat. Die Erwähnung von „Barbarei“ und „Arabia“ sowie weitere exotisch klingende Namen deutet auf eine weite und abenteuerliche Reise hin, die durch unterschiedliche Kulturen und Länder führt. Die Aufzählung ist zwar detailliert, wirkt aber gleichzeitig fragmentarisch, als ob der Reisende sich an viele Orte nur erinnern kann, ohne eine tiefere Verbindung zu ihnen zu spüren.

Der zweite Teil des Gedichts (ab Vers 11) ändert seinen Ton, indem er sich auf eine persönliche Erfahrung konzentriert. Hier beschreibt der Autor die Natur und Landschaft, durch die er reist: „Auff ainem kofel rund und smal, / mit dickem wald umbvangen, / vil hoher perg und tieffe tal, / stain, stauden, stück, snestangen“. Diese detaillierte Beschreibung der Natur ist ein Übergang von der äußeren Reise zur inneren Erfahrung. Der Autor scheint sich in der rauen Natur zu befinden, die mit „stain, stauden, stück, snestangen“ beschrieben wird.

Der dritte und letzte Teil des Gedichts (ab Vers 20) enthüllt das zentrale Thema, das dem Reisenden zu schaffen macht. Es ist nicht die Reise selbst oder die geographische Vielfalt, die ihn betrübt, sondern ein „klainen kindlin schal“, der durch seine Ohren dringt und ihn bedrängt. Dieser Vers deutet auf eine Sehnsucht nach der Kindheit oder nach einem Zustand der Unschuld hin, der in der Kindheit verkörpert wird. Es ist eine poetische Äußerung von Melancholie oder Heimweh, die in der Auseinandersetzung mit der Welt und der eigenen Vergangenheit entsteht.

Die Struktur des Gedichts, die von der äußeren Reise zur inneren Reflexion übergeht, verdeutlicht eine Entwicklung. Es ist mehr als nur eine Beschreibung der Reise; es ist eine Suche nach dem Selbst und dem, was dem Autor wirklich am Herzen liegt. Die lange Liste von Orten dient als Hintergrund für die Betonung der inneren Qual, die durch den Klang eines „kleinen Kindes“ ausgelöst wird. Das Gedicht verbindet somit Abenteuerlust und Sehnsucht, äußere Bewegung und innere Unruhe, was es zu einem vielschichtigen Werk macht.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.