Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Die Ehekämpen (7)

Von

Welch heitres Leben wogte auf dem Schlosse
Am andern Tag, ergötzlich war′s zu schau′n;
Von allen Seiten kamen hoch zu Rosse
Herbei die Ritter und die Edelfrau′n.
Der Herr von Greyerz stolz, mit reichem Trosse
Von seiner Burg zu Oron kam er traun,
Der Castellan von Chillon ist erschienen,
Und Herr von Tavel selbst ist unter ihnen.

Frau Bertha, reich geschmücket zu dem Feste,
Umringt von Pagen in der Halle stand,
Mit holdem Gruß empfing sie ihre Gäste,
Mit heitrem Wort und warmem Druck der Hand;
Doch für Herr Corsant hob sie auf das Beste,
Zur Tafel durft′ er führen sie galant,
Als Bote ihres Gatten, der bestellet
Bald seine Rückkehr, ward er vorgestellet.

Es ging der Becher fleißig durch die Runde,
Und neckisch scholl Gelächter rings und Wort,
Herr Corsant mußte geben manche Kunde
Vom Hofe und dem lust′gen Leben dort.
In raschem Flug entschwebte Stund′ um Stunde,
Doch keiner rückte von der Tafel fort,
Als rosig schon der Sonne letztes Strahlen
Begann des Sees weites Rund zu malen.

Der Ritter war der Frohste wohl von allen,
Von seiner Schuld schwieg er wohlweislich schlau;
Auch sie ließ nicht ein einzig Wörtlein fallen –
Sie hat gewiß verzieh′n, die holde Frau –
Und seine Blicke oft hinüber wallen,
Wo strahlt Jolanthens Auge treu und blau,
Zu Bertha neigt er sich mit leiser Frage,
Daß sie ihm, wer die schöne Jungfrau, sage.

Frau Bertha sah ihn an mit ernster Miene:
»Jolanthe ist es, meine Muhme traut;
Zum letzten Mal ist sie bei mir erschienen,
Denn bald wird sie dem Himmel angetraut,
Bald wird sie ihm allein nur fromm noch dienen
Im Kloster d′Orbe als seine keusche Braut.
Schwer werd′ ich dann die treue Freundin missen,
Die ach! auf immer meinem Arm entrissen.«

»Wie, edle Dame,« rief er mit Erschrecken,
»Wie könnt Ihr dulden solches Thun fürwahr?
Der Schleier sollte neidisch bald verdecken
Dies blaue Aug′, die edle Stirne klar?
Es sollte sich die Scheere züngelnd strecken
Nach diesem weichen, goldnen Lockenhaar?
So holde Rose soll in Schmerz und Trauern
Verwelken hinter dumpfen Klostermauern?«

Frau Bertha hob die weißen Schultern leise
Und spottend zuckt es um den rothen Mund:
»Ihr sprecht, Herr Ritter, sehr gelehrt und weise,
Doch sagt, was führt Euch her zu dieser Stund′?
Warum schickt′ Euch mein Gatte auf die Reise? –
Kämpft unsre Jugend gen der Ehe Bund,
Dann kann den Mägdlein Bess′res nicht geschehen,
Als daß sie ruhig in ein Kloster gehen!«

Der Ritter beißt sich auf die stolze Lippe,
Sie hatte Recht, Herrn Simon′s klug Gemahl,
Fest sitzt er jetzt auf seiner eignen Klippe;
Er muß bereu′n, es bleibt ihm keine Wahl,
Sich selbst verklagen hier vor ihrer Sippe –
Schnell springt er auf und Allen dort im Saal
Hat er mit lauter Stimme dann verkündigt,
Warum er kam und wie er sich versündigt.

Da gab es Spott und Lachen ohne Ende;
Die Männer zwar geriethen fast in Streit,
Die Frauen aber klatschten in die Hände
Und priesen laut Herrn Simon′s Tapferkeit.
Der Ritter aber, daß das Spotten ende,
Hielt noch einmal zum Reden sich bereit,
Er rief, den vollen Becher hoch erhoben:
»Geschlagen zwar, muß ich mein Schicksal loben!

Wie hätt′ ich sonst der Ehre je genossen,
Zu sitzen hier an diesem Ehrenplatz?
Zu tafeln mit der Schweiz berühmten Sprossen –
Ist′s meiner Schmach nicht reichlicher Ersatz?
Nie rühmt′ ich mich so edler Tischgenossen
Und es bewährt sich meines Hauses Satz,
Der lautet: »Höher stets hinauf!« So steiget
Mein Ansehn jetzt durch das, was mich gebenget.

Und nur nach diesem will ich jetzt noch streben,
In kurzer Frist solch herrlich Weib zu frei′n,
Wie mein Besieger, daß mir sei vergeben,
Und ich so tapfer dann wie er kann sein!«
Er neigt vor Bertha sich, doch im Erheben
Blitzt auf Jolanth′ sein Aug′ in hellem Schein,
Daß ihre Wange purpurroth erglühet,
Wetteifernd mit der Pracht, die draußen blühet;

Die in ein Meer von Rosen hat getauchet
Der Berge Häupter und den blauen See,
Der Liebe Blick, der Liebe Kuß – er hauchet
Hier gleiche Gluth auf Alp- und Wangenschnee.
Wie fest sein Blick an diesem Glanz sich sauget –
Mit Lächeln sieht′s die Dame von Blonay,
Dann spricht sie: »Wenn Ihr wollt nach solchem streben,
Herr Corsant de la Bresse, sei Euch vergeben!«

Er drückt auf ihre Hand des Dankes Zeichen,
Noch einmal leeret man die Becher dann,
Die Männer freundlich ihm die Hände reichen,
Die Damen seh′n ihn triumphirend an.
Doch bald die Sterne sich am Himmel zeigen,
Der Weg ist weit, zum Abschied rüstet man;
Herr Corsant nur allein noch zögernd steht, –
Gar viel hat er zu fragen, eh′ er gehet!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die Ehekämpen (7) von Luise Büchner

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Ehekämpen (7)“ von Luise Büchner erzählt eine Geschichte, die im Wesentlichen von einer spielerischen und amüsanten Auseinandersetzung über Liebe, Ehre und gesellschaftliche Konventionen handelt. Die Szenerie ist ein festliches Gelage auf einem Schloss, bei dem Ritter und Edelfrauen zusammenkommen. Die zentrale Handlung dreht sich um den Ritter Corsant, der sich in Jolanthe verliebt, aber erkennt, dass diese dem Klosterleben geweiht ist.

Das Gedicht zeichnet sich durch seine dialogartige Struktur und die pointierte Wendung aus. Corsant, angetrieben von seinen Gefühlen für Jolanthe, hinterfragt die Entscheidung, sie ins Kloster zu schicken. Doch Frau Bertha, eine kluge und humorvolle Frau, entlarvt seine wahren Absichten, indem sie ihn auf seine eigene Rolle und seinen Auftrag hinweist. Sie spielt geschickt mit der Situation und enthüllt, dass Corsant nicht wegen Jolanthe gekommen ist, sondern als Bote, um seine eigene Angelegenheiten zu regeln. Dies führt zu einer Wendung, bei der Corsant seine eigene Verfehlung eingestehen muss und zum Gespött der Gesellschaft wird.

Der Höhepunkt des Gedichts liegt in Corsants Reaktion auf die Demütigung. Anstatt sich zu schämen, verwandelt er die Situation in einen Triumph. Er lobt sein Schicksal und sieht in der Gesellschaft und dem Gelage eine Ehre, die er nur durch seine „Niederlage“ erlangt hat. Sein anschließender Entschluss, eine Frau von gleichem Rang zu heiraten, um sich zu rehabilitieren und sein Ansehen zu steigern, zeigt seinen Ehrgeiz und seine Fähigkeit, aus einer vermeintlichen Niederlage einen Vorteil zu ziehen.

Die Sprache des Gedichts ist geprägt von einer gewissen Eleganz und einem spielerischen Umgang mit Ironie. Büchner nutzt Verse mit klaren Reimen und einen lockeren Rhythmus, um die Leichtigkeit und den Humor der Szene zu betonen. Die Charaktere werden durch ihre Dialoge und Handlungen lebendig dargestellt. Der Kontrast zwischen den verschiedenen Figuren, besonders zwischen Corsant und Bertha, verleiht dem Gedicht eine dynamische Spannung. Das Gedicht endet mit einer versöhnlichen Note, in der Corsant seinen Weg zur Ehre findet, was durch die Zustimmung von Bertha bestärkt wird. Dies betont die Auflösung des Konflikts und die Akzeptanz des gesellschaftlichen Spiels.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.