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Dies ist das Lied, das Villon sang…

Von

Dies ist das Lied, das Villon sang,
Als man ihn hängen wollte.
Er fühlte um den Hals den Strang,
Er sang das Lied den Weg entlang,
Der Schinderkarren rollte.

Hängt mich den Schurken zum Alarm
Nur hoch in alle Winde!
Wegweiser schlenkere mein Arm,
Er weist den Weg dem schlimmen Schwarm
Und manchem braunen Kinde.

Einst hat der Teufel mich gekirrt,
Nun hör ich Bäume singen.
Ich fühle Gott. Mein Auge schwirrt.
Mein Leib, mein armer Leib, er wird
Als Aveglocke schwingen.

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Gedicht: Dies ist das Lied, das Villon sang... von Klabund

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Dies ist das Lied, das Villon sang…“ von Klabund präsentiert uns eine ergreifende Auseinandersetzung mit dem Tod und der Akzeptanz des Schicksals, vor dem Hintergrund der drohenden Hinrichtung des Dichters François Villon. Es ist ein Lied in letzter Stunde, eine Momentaufnahme der Gemütsverfassung eines Mannes, der sich dem Ende seines Lebens nähert. Die Verwendung des Namens Villon, einem historischen Dichter, der selbst oft mit dem Tod konfrontiert war, verleiht dem Gedicht eine besondere Tiefe und Authentizität.

Das Gedicht gliedert sich in drei Strophen, die jeweils eine Facette von Villons Seelenleben beleuchten. Die erste Strophe ist geprägt von der direkten Konfrontation mit dem bevorstehenden Tod. Der „Strang“ um den Hals und der „Schinderkarren“ sind greifbare Symbole für die Unausweichlichkeit des Todes. Trotz dieser unmittelbaren Bedrohung singt Villon, was auf eine überraschende, beinahe trotzige Haltung hindeutet. Die Zeilen suggerieren eine Akzeptanz des Schicksals, ein Bewusstsein, dass das Leben zu Ende geht, aber dass die Seele durch den Gesang, die Kunst, weiterlebt.

In der zweiten Strophe wird diese trotzige Haltung deutlicher. Villon scheint den Tod als eine Art von „Aufruf“ zu sehen, der auch andere Menschen beeinflussen könnte. Seine Arme, die als „Wegweiser“ dienen, symbolisieren die Verbreitung seiner Geschichte und seines Schicksals, wodurch seine Geschichte auch nach seinem Tod weiterleben wird. Hier zeigt sich eine gewisse Zynik, aber auch eine Art von Triumph: Selbst im Tod kann er eine Wirkung erzielen. Das „schlimmen Schwarm“ und „manchem braunen Kinde“ verdeutlichen die universelle Gültigkeit der menschlichen Existenz und die Gleichheit aller Menschen im Angesicht des Todes.

Die letzte Strophe schließlich markiert einen Wandel. Hier tritt eine spirituelle Dimension hinzu. Villon spürt die Nähe Gottes, sein „Auge schwirrt“. Die Todesangst scheint einer Art von innerem Frieden gewichen zu sein. Sein Körper, der „arme Leib“, wird als „Aveglocke“ beschrieben, was eine Metapher für die Verwandlung des Todes in etwas Heiliges, etwas, das die Botschaft der Hoffnung und des Trostes verkündet, darstellt. Die Zeilen deuten auf eine Versöhnung mit dem Leben und dem Tod hin, ein Akzeptieren des eigenen Schicksals und eine Suche nach Sinn in der letzten Stunde.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.