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Letzte Heimkehr

Von

Der Wintermorgen glänzt so klar,
Ein Wandrer kommt von ferne,
Ihn schüttelt Frost, es starrt sein Haar,
Ihm log die schöne Ferne,
Nun endlich will er rasten hier,
Er klopft an seines Vaters Tür.

Doch tot sind, die sonst aufgetan,
Verwandelt Hof und Habe,
Und fremde Leute sehn ihn an,
Als käm er aus dem Grabe;
Ihn schauert tief im Herzensgrund,
Ins Feld eilt er zur selben Stund.

Da sang kein Vöglein weit und breit,
Er lehnt′ an einem Baume,
Der schöne Garten lag verschneit,
Es war ihm wie im Traume,
Und wie die Morgenglocke klingt,
Im stillen Feld er niedersinkt.

Und als er aufsteht vom Gebet,
Nicht weiß, wohin sich wenden,
Ein schöner Jüngling bei ihm steht,
Faßt mild ihn bei den Händen:
»Komm mit, sollst ruhn nach kurzem Gang.« –
Er folgt, ihn rührt der Stimme Klang.

Nun durch die Bergeseinsamkeit
Sie wie zum Himmel steigen,
Kein Glockenklang mehr reicht so weit,
Sie sehn im öden Schweigen
Die Länder hinter sich verblühn,
Schon Sterne durch die Wipfel glühn.

Der Führer jetzt die Fackel sacht
Erhebt und schweigend schreitet,
Bei ihrem Schein die stille Nacht
Gleichwie ein Dom sich weitet,
Wo unsichtbare Hände baun –
Den Wandrer faßt ein heimlich Graun.

Er sprach: Was bringt der Wind herauf
So fremden Laut getragen,
Als hört ich ferner Ströme Lauf,
Dazwischen Glocken schlagen?
»Das ist des Nachtgesanges Wehn,
Sie loben Gott in stillen Höhn.«

Der Wandrer drauf: Ich kann nicht mehr –
Ists Morgen, der so blendet?
Was leuchten dort für Länder her? –
Sein Freund die Fackel wendet:
»Nun ruh zum letzten Male aus,
Wenn du erwachst, sind wir zu Haus.«

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Gedicht: Letzte Heimkehr von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Letzte Heimkehr“ von Joseph von Eichendorff ist eine ergreifende Ballade über Verlust, Entfremdung und die Suche nach Erlösung. Es erzählt die Geschichte eines Wanderers, der nach langer Abwesenheit in seine Heimat zurückkehrt, nur um festzustellen, dass alles, was ihm einst vertraut war, vergangen ist. Sein Vater ist tot, das Haus und der Hof sind verändert, und die Menschen sind ihm fremd geworden. Diese Erfahrung der totalen Vereinsamung und der Verlust der Heimat treibt ihn in die Verzweiflung.

Das Gedicht ist in mehrere Abschnitte unterteilt, die die verschiedenen Stadien der Erfahrung des Wanderers widerspiegeln. Zunächst wird seine Ankunft und die Erkenntnis seines Verlusts geschildert. Dann zieht er sich in die Natur zurück, wo er Trost sucht, aber auch weiterhin mit der Leere konfrontiert wird. Schließlich trifft er auf einen geheimnisvollen Führer, der ihn in die „Bergeseinsamkeit“ führt, wo eine spirituelle Reise beginnt. Dieser Führer, der die Fackel trägt, scheint eine Art Begleiter auf dem Weg ins Jenseits zu sein, da der Wanderer am Ende seine letzte Ruhe findet.

Eichendorff verwendet eine romantische Bildsprache, um die Atmosphäre der Sehnsucht, des Schmerzes und der Hoffnungslosigkeit zu erzeugen. Die Natur, mit ihren winterlichen Szenen und dem „stillen Feld“, spiegelt die innere Gefühlswelt des Wanderers wider. Die „Bergeseinsamkeit“ und die „Sterne durch die Wipfel“ deuten auf eine Transzendenz hin, auf eine Welt jenseits der irdischen Realität, in der der Wanderer vielleicht Erlösung finden kann. Das „heimliche Grauen“ des Wanderers, als er die Gesänge hört, die „Gott in stillen Höhen“ loben, zeigt auch eine gewisse Faszination für das Unbekannte, das Jenseitige.

Die Bedeutung des Gedichts liegt in seiner universellen Thematik. Es spricht von der Erfahrung des Verlustes, der Vergänglichkeit und der Suche nach Heimat und Geborgenheit. Der Wanderer repräsentiert den Menschen auf der Suche nach Sinn und Bestimmung, der mit der Unausweichlichkeit des Todes konfrontiert wird. Die letzte Heimkehr kann als Metapher für den Übergang in das Jenseits interpretiert werden, in dem der Wanderer, nach all seinen Irrwegen, endlich Frieden und Ruhe findet. Die Melancholie, die das Gedicht durchzieht, wird jedoch durch einen Hoffnungsschimmer gemildert, der in der Aussicht auf die „letzte Ruhe“ und die Begleitung durch den Führer liegt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.