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Auf einer Burg

Von

Eingeschlafen auf der Lauer
Oben ist der alte Ritter;
Drüber gehen Regenschauer,
Und der Wald rauscht durch das Gitter.

Eingewachsen Bart und Haare,
Und versteinert Brust und Krause,
Sitzt er viele hundert Jahre
Oben in der stillen Klause.

Draußen ist es still und friedlich,
Alle sind ins Tal gezogen,
Waldesvögel einsam singen
In den leeren Fensterbogen.

Eine Hochzeit fährt da unten
Auf dem Rhein im Sonnenscheine,
Musikanten spielen munter,
Und die schöne Braut die weinet.

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Gedicht: Auf einer Burg von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Auf einer Burg“ von Joseph von Eichendorff entwirft ein eindringliches Bild der Vergänglichkeit und der Kontraste zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Der alte Ritter, versteint und in seiner Burg eingemauert, verkörpert die Überdauerung, aber auch die Isolation und den Stillstand. Die Natur, in Form von Regen und rauschendem Wald, umgibt ihn, scheint ihn aber nicht zu erreichen, da er in seiner eigenen Welt verharrt. Die beschreibende Sprache, die sich durch das gesamte Gedicht zieht, trägt dazu bei, eine beklemmende Atmosphäre zu erzeugen, die den Leser in die Stille der alten Burg eintauchen lässt.

Die zweite Strophe verstärkt den Eindruck der Erstarrung und der langen Zeitspanne. Die Metaphern „eingewachsen Bart und Haare“ und „versteinert Brust und Krause“ verdeutlichen die Verwitterung und die Unbeweglichkeit des Ritters. Er ist ein Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit, ein Denkmal, das durch die Jahrhunderte überdauert hat. Die „stille Klause“ verstärkt das Gefühl der Einsamkeit und des Rückzugs, die den Ritter umgeben. Eichendorff spielt hier mit dem Kontrast zwischen dem scheinbaren Frieden des Ortes und der inneren Leere, die den Ritter erfasst haben muss.

In den letzten beiden Strophen wechselt der Blickwinkel von der Burg in die Welt. Der Kontrast zwischen der Stille der Burg und dem Leben im Tal wird besonders deutlich. Unten im Tal findet eine Hochzeit statt, ein Symbol für Leben, Freude und Zukunft. Doch inmitten dieses festlichen Treibens weint die Braut. Diese Diskrepanz zwischen äußerer Freude und innerem Leid wirft Fragen nach der Natur des Glücks und der Vergänglichkeit menschlicher Freuden auf.

Die Gegenüberstellung von Vergangenheit und Gegenwart, von Isolation und Gemeinschaft, ist ein zentrales Thema in Eichendorffs Gedicht. Der alte Ritter ist ein Mahnmal der Vergangenheit, während die Hochzeit im Tal die flüchtige Natur des menschlichen Daseins repräsentiert. Das Gedicht lässt den Leser über die Natur der Zeit, die Veränderungen und die menschliche Erfahrung nachdenken und zeigt, dass selbst in der scheinbaren Ewigkeit der Burg das Leben seinen eigenen Weg geht, geprägt von Freude und Leid.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

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