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Weltseele

Von

Verteilet euch nach allen Regionen
Von diesem heil′gen Schmaus!
Begeistert reißt euch durch die nächsten Zonen
Ins All und füllt es aus!

Schon schwebet ihr in ungemeßnen Fernen
Den sel′gen Göttertraum
Und leuchtet neu, gesellig, unter Sternen
Im lichtbesäten Raum.

Dann treibt ihr euch, gewaltige Kometen,
Ins Weit′ und Weitr′ hinan.
Das Labyrinth der Sonnen und Planeten
Durchschneidet eure Bahn.

Ihr greifet rasch nach ungeformten Erden
Und wirket schöpfrisch jung,
Daß sie belebt und stets belebter werden,
Im abgemeßnen Schwung.

Und kreisend führt ihr in bewegten Lüften
Den wandelbaren Flor
Und schreibt dem Stein in allen seinen Grüften
Die festen Formen vor.

Nun alles sich mit göttlichem Erkühnen
Zu übertreffen strebt;
Das Wasser will, das unfruchtbare, grünen,
Und jedes Stäubchen lebt.

Und so verdrängt mit liebevollem Streiten
Der feuchten Qualme Nacht!
Nun glühen schon des Paradieses Weiten
In überbunter Pracht.

Wie regt sich bald, ein holdes Licht zu schauen,
Gestaltenreiche Schar,
Und ihr erstaunt auf den beglückten Auen
Nun als das erste Paar,

Und bald verlischt ein unbegrenztes Streben
Im sel′gen Wechselblick.
Und so empfangt mit Dank das schönste Leben
Vom All ins All zurück.

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Gedicht: Weltseele von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Weltseele“ von Johann Wolfgang von Goethe ist eine hymnische Beschreibung des schöpferischen Prozesses und der Evolution von kosmischen Urformen bis zum menschlichen Dasein. Es zeichnet ein Bild der Welt als ein pulsierendes, dynamisches Ganzes, das durch die Interaktion verschiedener Kräfte und Elemente geformt und immer wieder neu belebt wird.

In den ersten Strophen wird die Ausbreitung der „Weltseele“ durch das Universum geschildert. Die „Begeistert[en]“ Seelen, die sich „verteilen“ und „ins All“ ausdehnen, scheinen eine kosmische Kraft zu verkörpern, die das Universum durchdringt und formt. Die Bilder von „ungemessnen Fernen“, „Kometen“ und dem „lichtbesäten Raum“ erzeugen eine Vorstellung von unendlicher Weite und Energie, die durch das Gedicht transportiert wird. Goethe beschreibt die Weltseele als treibende Kraft, die das Universum belebt und durchdringt.

Die folgenden Strophen beschreiben die Transformation und Belebung der Erde. Die „ungeformten Erden“ werden durch die „Weltseele“ „belebt“ und erhalten Form. Das Gedicht beschreibt die Schöpfung als einen dynamischen Prozess, in dem Elemente wie Wasser, Stein und Luft in Wechselwirkung treten und schließlich „das Paradieses Weiten“ in „überbunter Pracht“ entstehen lassen. Die Entwicklung von Vegetation, Leben und schließlich die Entstehung des Menschenpaares wird in diesem Kontext als logische Folge dieser kosmischen Dynamik dargestellt.

Das Gedicht kulminiert in der Ankunft des Menschen und der Rückkehr der Seele „vom All ins All zurück“. Dies deutet auf einen Kreislauf des Werdens und Vergehens hin, in dem die Seele Teil eines unendlichen Prozesses ist. Die Zeilen „Und so empfangt mit Dank das schönste Leben / Vom All ins All zurück“ betonen die Dankbarkeit für die Gabe des Lebens und die Integration des Individuums in den kosmischen Kreislauf. Goethes „Weltseele“ ist somit ein Lobgesang auf die Schöpfung, die Evolution und die Einheit von Kosmos und Individuum.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.