Neue Liebe, neues Leben
Herz, mein Herz, was soll das geben?
Was bedränget dich so sehr?
Welch ein fremdes, neues Leben!
Ich erkenne dich nicht mehr.
Weg ist alles, was du liebtest,
Weg, warum du dich betrübtest,
Weg dein Fleiß und deine Ruh –
Ach, wie kamst du nur dazu!
Fesselt dich die Jugendblüte,
Diese liebliche Gestalt,
Dieser Blick voll Treu und Güte
Mit unendlicher Gewalt?
Will ich rasch mich ihr entziehen,
Mich ermannen, ihr entfliehen,
Führet mich im Augenblick,
Ach, mein Weg zu ihr zurück.
Und an diesem Zauberfädchen,
Das sich nicht zerreißen läßt,
Hält das liebe, lose Mädchen
Mich so wider Willen fest;
Muß in ihrem Zauberkreise
Leben nun auf ihre Weise.
Die Verändrung, ach, wie groß!
Liebe! Liebe! laß mich los!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Neue Liebe, neues Leben“ von Johann Wolfgang von Goethe beschreibt eine überwältigende emotionale Erfahrung, die durch eine neue Liebe ausgelöst wird. Es beginnt mit einer direkten Ansprache an das eigene Herz, das durch die neue Situation in Aufruhr versetzt ist. Der Dichter fragt nach dem Grund für diese unerklärliche Aufregung und stellt fest, dass sich sein Leben grundlegend verändert hat. Alles, was ihm einst wichtig war, ist in den Hintergrund getreten, und er selbst scheint sich nicht mehr wiederzuerkennen.
In der zweiten Strophe wird die Ursache für diesen Zustand enthüllt: die Jugendblüte, die liebliche Gestalt, der Blick voller Treue und Güte, also die neue Geliebte. Diese Person übt eine unwiderstehliche Macht aus, die den Dichter gefesselt hält. Er versucht, sich von ihr zu lösen, doch scheitert an der Anziehungskraft, die ihn immer wieder zu ihr zurückführt. Die Metapher vom „Zauberfädchen“ unterstreicht die Macht der Liebe und die Unfähigkeit, sich von ihr zu befreien.
Die dritte Strophe vertieft das Gefühl der Ohnmacht und des Gefangenseins. Das „liebe, lose Mädchen“ hält den Dichter trotz seines Widerwillens fest, und er ist gezwungen, in ihrem Zauberkreis zu leben und sich ihren Spielregeln zu unterwerfen. Die „Verändrung“ wird als „groß“ empfunden, und der Dichter fleht die Liebe an, ihn freizulassen. Dieses Flehen zeigt die Zerrissenheit zwischen dem Wunsch nach Freiheit und der Bindung an die neue Liebe.
Goethe verwendet in diesem Gedicht einfache, aber wirkungsvolle Worte, um die Komplexität der Liebe auszudrücken. Die direkte Anrede an das Herz und die Verwendung von Fragen verstärken die persönliche und emotionale Wirkung. Die Beschreibung der Geliebten als „Jugendblüte“ und die Metaphern vom „Zauberfädchen“ und „Zauberkreis“ visualisieren die Anziehungskraft und die Macht der Liebe. Das Gedicht ist ein Ausdruck der Erfahrung des Verliebtseins, der Verwirrung, der Hingabe und des daraus resultierenden inneren Konflikts.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.