Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche rings umher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuren Weite
Reget keine Welle sich.
Meeres Stille
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Meeres Stille“ von Johann Wolfgang von Goethe beschreibt in präzisen Bildern eine beklemmende, beinahe unheimliche Szene auf dem Meer. Die Eröffnungszeile „Tiefe Stille herrscht im Wasser“ etabliert sofort die dominante Stimmung des Gedichts, die von Ruhe und Bewegungslosigkeit geprägt ist. Das Meer, normalerweise ein Symbol der Unberechenbarkeit und Dynamik, liegt wie erstarrt da, ohne jede Regung. Diese totale Stille und Unbeweglichkeit erzeugt eine Atmosphäre der Beklommenheit und des Stillstands. Der Schiffer, als zentraler Akteur, wird als „bekümmert“ beschrieben, was die negative Konnotation dieser Ruhe unterstreicht.
Die detaillierte Beschreibung des Meeres, das „glatte Fläche rings umher“ darstellt, verstärkt das Gefühl der Ödnis und Leere. Goethes Wortwahl ist sparsam, aber wirkungsvoll, wodurch die klaustrophobische Atmosphäre und die Isolation des Schiffers hervorgehoben werden. Die Zeilen „Keine Luft von keiner Seite! / Todesstille fürchterlich!“ kulminieren in der Beschreibung der Stille, die nicht nur als physische, sondern auch als psychische Erfahrung wahrgenommen wird. Die Wiederholung des Wortes „Stille“ verstärkt die Bedeutung des Gedichts. Die Natur wird hier als bedrohlich und lebensfeindlich dargestellt, da die Abwesenheit von Bewegung und Wind das Gefühl des Eingeschlossenseins und der Gefahr verstärkt.
Die Metapher der „Todesstille“ ist zentral für das Verständnis des Gedichts. Sie deutet auf eine unmittelbare Bedrohung hin und spiegelt die Angst des Schiffers wider, der durch die Unfähigkeit des Bootes, sich zu bewegen, der Natur ausgeliefert ist. Die Weite des Meeres, die in „In der ungeheuren Weite / Reget keine Welle sich“ angedeutet wird, verstärkt das Gefühl der Verlorenheit. Der Schiffer befindet sich in einer unendlichen Leere, aus der es kein Entkommen gibt. Das Gedicht wird somit zu einer Reflexion über die menschliche Existenz, die sich den Naturgewalten und der eigenen Hilflosigkeit gegenübersieht.
Goethes Gedicht ist ein Meisterwerk der atmosphärischen Dichtung. Durch die Kombination von sparsamer Sprache, präzisen Bildern und der Betonung von Stille und Bewegungslosigkeit erzeugt er eine beklemmende, fast beängstigende Stimmung. Die einfache, aber kraftvolle Sprache und die klaren Bilder ermöglichen es, die Angst und Verzweiflung des Schiffers nachzuvollziehen. Das Gedicht lässt sich als Metapher für menschliche Erfahrung interpretieren, die durch Momente des Stillstands, der Isolation und der existenziellen Bedrohung geprägt ist.
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Lizenz und Verwendung
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