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An Lottchen

Von

Mitten im Getümmel mancher Freuden,
Mancher Sorgen, mancher Herzensnot
Denk′ ich dein, o Lottchen, denken dein die beiden,
Wie beim stillen Abendrot
Du die Hand uns freundlich reichtest,
Da du uns auf reich bebauter Flur,
In dem Schoße herrlicher Natur,
Manche leicht verhüllte Spur
Einer lieben Seele zeigtest.

Wohl ist mir′s, daß ich dich nicht verkannt,
Daß ich gleich dich in der ersten Stunde,
Ganz den Herzensausdruck in dem Munde,
Dich ein wahres gutes Kind genannt.

Still und eng und ruhig auferzogen,
Wirft man uns auf einmal in die Welt;
Uns umspülen hunderttausend Wogen,
Alles reizt uns, mancherlei gefällt,
Mancherlei verdrießt uns, und von Stund zu Stunden
Schwankt das leichtunruhige Gefühl;
Wir empfinden, und was wir empfunden,
Spült hinweg das bunte Weltgewühl.

Wohl, ich weiß es, da durchschleicht uns innen
Manche Hoffnung, mancher Schmerz.
Lottchen, wer kennt unsre Sinnen?
Lottchen, wer kennt unser Herz?
Ach, es machte gern gekannt sein, überfließen
In das Mitempfinden einer Kreatur
Und vertrauend zwiefach neu genießen
Alles Leid und Freude der Natur.

Und da sucht das Aug′ so oft vergebens
Ringsumher und findet alles zu;
So vertaumelt sich der schönste Teil des Lebens
Ohne Sturm und ohne Ruh′;
Und zu deinem ew′gen Unbehagen
Stößt dich heute, was dich gestern zog.
Kannst du zu der Welt nur Neigung tragen,
Die so oft dich trog
Und bei deinem Weh, bei deinem Glücke
Blieb in eigenwill′ger, starrer Ruh′?
Sieh, da tritt der Geist in sich zurücke,
Und das Herz – es schließt sich zu.

So fand ich dich und ging dir frei entgegen.
„O sie ist wert, zu sein geliebt!“
Rief ich, erflehte dir des Himmels reinsten Segen,
Den er dir nun in deiner Freundin gibt.

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Gedicht: An Lottchen von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Lottchen“ von Johann Wolfgang von Goethe ist eine innige und persönliche Würdigung der Freundschaft zu einer Frau namens Lottchen. Es handelt von der Wertschätzung ihrer ehrlichen, aufrichtigen Natur und der Sehnsucht nach einem tiefen, verlässlichen Gefühl in einer oft oberflächlichen und unbeständigen Welt.

Goethe beschreibt, wie Lottchen ihnen einst die Hand reichte und ihnen die Schönheit der Natur zeigte, was ihn tief berührte. Er lobt ihre Fähigkeit, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen und ein „wahres gutes Kind“ zu sein. Im weiteren Verlauf reflektiert er über die Herausforderungen des Lebens, die durch „mancherlei Wogen“ und das „bunte Weltgewühl“ entstehen. Die Welt erscheint als ein Ort der Unbeständigkeit, wo Gefühle schwanken und die Suche nach echtem Verständnis oft vergeblich ist.

Der Dichter thematisiert die innere Zerrissenheit des Menschen, die zwischen Hoffnungen und Schmerzen schwankt. Er stellt Fragen nach dem Verständnis des Herzens und der Seele und sehnt sich nach jemandem, der die eigenen Gefühle teilt. In diesem Kontext erscheint Lottchen als eine Konstante, als ein Anker der Beständigkeit, der Zuflucht und Trost bietet. Der Gedicht schildert die Schwierigkeit, in der Welt des „Getümmels“ Trost zu finden, und die Einsamkeit, die dadurch entsteht.

Das Gedicht endet mit einem Bekenntnis zur Wertschätzung der Freundschaft und einem Wunsch nach Glück und Segen für Lottchen. Der letzte Vers drückt die Überzeugung aus, dass Lottchens Freundin sie im Leben unterstützt und ihr Beistand gewährt. Goethe sieht in Lottchen eine Person, die frei und unvoreingenommen auf ihn zugeht, und deren Anwesenheit ihm Frieden und Freude schenkt. Es ist ein Loblied auf eine Freundschaft, die in einer unsteten Welt Halt gibt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.