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Sonett der Seele

Von

Willensdrang von tausend Wesen
Wogt in uns vereint, verklärt:
Feuer loht und Rebe gärt
Und sie locken uns zum Bösen.

Tiergewalten, kampfbewährt,
Herrengaben, auserlesen,
Eignen uns und wir verwesen
Einer Welt ererbten Wert.

Wenn wir unsrer Seele lauschen,
Hören wirs wie Eisen klirren,
Rätselhafte Quellen rauschen,

Stille Vögelflüge schwirren …
Und wir fühlen uns verwandt
Weltenkräften unerkannt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Sonett der Seele von Hugo von Hofmannsthal

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sonett der Seele“ von Hugo von Hofmannsthal ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Komplexität der menschlichen Seele und deren Verflechtung mit inneren und äußeren Kräften. Es beginnt mit einer Beschreibung des vielschichtigen „Willensdrangs“, der in uns vereint ist. Dieser Drang wird als „Feuer“ und „Rebe“ personifiziert, die uns zum „Bösen“ locken, was auf die Dualität in uns und die Versuchungen der Welt hindeutet. Hofmannsthal deutet an, dass die Seele einem stetigen Wandel unterworfen ist und von äußeren Einflüssen, aber auch inneren Trieben geprägt wird.

Der zweite Teil des Sonetts vertieft diese Thematik, indem er die innere Welt der Seele weiter erforscht. „Tiergewalten“ und „Herrengaben“ repräsentieren die instinktiven und übergeordneten Aspekte, die uns formen. Der Vers „Eignen uns und wir verwesen / Einer Welt ererbten Wert“ deutet auf die Vergänglichkeit und die Verwurzelung in einer von Generationen geerbten Welt hin. Diese Verse spiegeln die Auseinandersetzung mit den Grundlagen des Menschseins wider – die Dualität von Natur und Kultur, von Geben und Nehmen, von Leben und Sterben.

In den letzten sechs Zeilen des Sonetts wird die „Seele“ selbst zum Subjekt. Durch das „Lauschen“ nach innen werden verschiedene Sinneswahrnehmungen erzeugt: „Eisen klirren“, „Rätselhafte Quellen rauschen“ und „Stille Vögelflüge schwirren“. Diese Bilder evozieren eine Welt der Unruhe und des Geheimnisses, der Bewegung und der Stille. Die Seele wird als ein Ort der Widersprüche und unaufhörlichen Wandlungen dargestellt, die durch diese unterschiedlichen Klänge und Bilder widergespiegelt werden.

Das Sonett endet mit einem Gefühl der Verbundenheit mit „Weltenkräften unerkannt“. Die Seele ist nicht nur ein Spiegel der menschlichen Erfahrung, sondern auch ein Teil eines größeren, unerforschten Ganzen. Dieser letzte Vers suggeriert eine tiefe Ehrfurcht vor den Kräften, die das Universum und die menschliche Existenz bestimmen. Es ist eine Erkenntnis, dass die Seele ein Fenster zu einer Welt ist, die größer und geheimnisvoller ist, als wir sie je begreifen können.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.