Solang uns Liebe lockt mit Lust und Plagen,
Solang Begeist´rung wechselt und Verzagen,
Solange wird auf Erden nicht die Zeit,
Die schreckliche, die dichterlose tagen:
Solang in tausend Formen Schönheit blüht,
Schlägt auch ein Herz, zu singen und zu sagen,
Solang das Leid, das ew´ge uns umflicht,
Solang werden wir´s in Tönen klagen,
Und es erlischt erst dann der letzte Traum,
Wenn er das letzte Herz zu Gott getragen!
Den Pessimisten
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Den Pessimisten“ von Hugo von Hofmannsthal ist eine kraftvolle Verteidigung der menschlichen Erfahrung und der Kunst angesichts pessimistischer Weltanschauungen. Es preist das Leben und die Kreativität, indem es die Unvermeidlichkeit von Liebe, Leid und dem Streben nach Schönheit in den Mittelpunkt stellt. Das Gedicht argumentiert, dass solange diese menschlichen Erfahrungen existieren, auch die Kunst und die Fähigkeit zu singen und zu sagen lebendig bleiben werden.
Die ersten vier Zeilen betonen die Dualität des Lebens, das durch Liebe und Begeisterung, aber auch durch deren Schattenseiten wie „Plagen“ und „Verzagen“ geprägt ist. Diese Wechselhaftigkeit, dieses Auf und Ab der Gefühle, wird als ein zentrales Merkmal des menschlichen Daseins dargestellt. Nur solange diese Polaritäten existieren, wird die „schreckliche, die dichterlose Zeit“ nicht anbrechen, eine Zeit, in der die Kunst, die Emotionen und die Menschlichkeit selbst erlöschen. Das Gedicht widersetzt sich somit der Vorstellung einer Welt ohne Gefühl und Kreativität.
In den folgenden Zeilen wird die zentrale Rolle der Schönheit und des Leids hervorgehoben. Die „tausend Formen Schönheit“ und das „ew´ge Leid“ sind untrennbar mit der menschlichen Existenz verbunden. Das Gedicht behauptet, dass solange diese Elemente präsent sind, es auch Herzen geben wird, die singen und klagen, also die Welt durch Kunst zu erfassen und auszudrücken versuchen. Die Kunst wird hier als eine Reaktion auf und eine Verarbeitung von menschlichen Erfahrungen gesehen, insbesondere von Leid.
Der abschließende Vers „Und es erlischt erst dann der letzte Traum, / Wenn er das letzte Herz zu Gott getragen!“ ist eine Metapher für den Tod. Nur wenn das letzte Herz, also der letzte Mensch stirbt, wird auch der letzte Traum, die letzte Hoffnung, die letzte Möglichkeit, Kunst zu erschaffen, erlöschen. Das Gedicht ist somit eine Feier des Lebens und der Kunst, ein Appell gegen Pessimismus und die Aufrechterhaltung der menschlichen Erfahrung, solange es Menschen gibt, die fühlen, lieben, leiden und sich ausdrücken.
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Lizenz und Verwendung
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