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IX. Sîn hiez mir nie widersagen

Von

I

Sîn hiez mir nie widersagen
unde warp iedoch
unde wirbet noch hiute ûf den schaden mîn.
des enmac ich langer niht verdagen,
wan si wil ie noch
elliu lant behern und sîn ein rouberîn.
Daz machent alle ir tugende und ir schoene, die mengem man tuont wê.
der sî an siht,
der muoz ir gevangen sîn
und in sorgen leben iemer mê.

II

In den dingen ich ir dienstman
und ir eigen was dô,
dô ich sî dur triuwe und dur guot an sach,
dô kam si mit ir minnen an
und vienc mich alsô,
dô si mich wol gruozte und wider mich sô sprach.
Des bin ich an vröiden siech und an herzen sêre wunt;
und ir ougen klâr
diu hânt mich beroubet gar
und ir rôsevarwer rôter munt.

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Gedicht: IX. Sîn hiez mir nie widersagen von Heinrich von Morungen

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „IX. Sîn hiez mir nie widersagen“ von Heinrich von Morungen ist eine klagende Liebeslyrik, die von der Widersprüchlichkeit und dem Schmerz der unerwiderten Liebe handelt. Der Dichter beklagt die Frau, die ihm nie eine direkte Ablehnung aussprach, ihn aber dennoch mit ihren Reizen und ihrem Verhalten verletzt.

Der erste Teil des Gedichts beschreibt die Frau als eine, die ihn „auf den Schaden“ hinwirbt, also ihm Schaden zufügt. Sie wird mit einer Räuberin verglichen, die alle Länder beherrscht, was metaphorisch für ihre Macht und ihren Einfluss steht. Die „Tugende und ihr Schoene“ sind gleichzeitig ihre Stärken und die Ursache für das Leid, das sie anderen zufügt. Wer sie anschaut, ist gefangen und muss in Sorgen leben – ein deutlicher Hinweis auf die Macht der Liebe und die Qualen, die sie mit sich bringen kann.

Der zweite Teil des Gedichts blickt auf die Zeit zurück, in der der Dichter der Frau ergeben war und ihr diente. Er erinnert sich an den Moment, als sie ihn durch ihre Liebe „gefangen“ nahm. Diese „Minne“ erweist sich als trügerisch, da sie nicht auf Gegenseitigkeit beruht und zu seinem Leid führt. Die klaren Augen und der „rosefarwer rôter munt“ der Frau berauben ihn völlig, wobei die sinnlichen Details die Intensität seiner Liebe und seines Schmerzes hervorheben.

Das Gedicht zeichnet sich durch eine melancholische Stimmung und eine Mischung aus Bewunderung und Verzweiflung aus. Die Widersprüchlichkeit der geliebten Frau, die gleichzeitig anziehend und schmerzhaft ist, wird in der Artikulation des lyrischen Ichs erfahrbar. Morungen nutzt dabei rhetorische Mittel wie Vergleiche, Metaphern und eine elegante Sprache, um die Komplexität und das Leid der unerwiderten Liebe auszudrücken, und zeigt so die machtvolle und oft unglückliche Natur der Liebe.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.