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Ein Frühlingsabend

Von

Ein Strauch voll Larven; Abendföhn im März;
Ein toller Hund läuft durch ein ödes Feld
Durchs braune Dorf des Priesters Glocke schellt;
Ein kahler Baum krümmt sich in schwarzem Schmerz.

Im Schatten alter Dächer blutet Mais;
O Süße, die der Spatzen Hunger stillt.
Durch das vergilbte Rohr bricht scheu ein Wild.
O Einsamstehn vor Wassern still und weiß.

Unsäglich ragt des Nußbaums Traumgestalt.
Den Freund erfreut der Knaben bäurisch Spiel.
Verfallene Hütten, abgelebt′ Gefühl;
Die Wolken wandern tief und schwarz geballt.

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Gedicht: Ein Frühlingsabend von Georg Trakl

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ein Frühlingsabend“ von Georg Trakl entfaltet in prägnanten Versen eine düstere und melancholische Stimmung, die den Widerspruch zwischen der Jahreszeit des Neubeginns und einer empfundenen Leere betont. Das Gedicht beginnt mit Bildern der Verwesung und des Leidens, wie „ein Strauch voll Larven“ und „ein kahler Baum krümmt sich in schwarzem Schmerz“, die den traditionellen Frühlingsidealen von Blüte und Erneuerung entgegenstehen. Der Abendföhn im März, ein warmer Wind, der eigentlich Aufbruch signalisieren sollte, wird hier als bloßes Element der Jahreszeit ohne positive Konnotation wahrgenommen.

Die zweite Strophe intensiviert das Gefühl von Verlust und Einsamkeit. Das „blutende Mais“ in „Schatten alter Dächer“ steht in einem krassen Gegensatz zur üppigen Fülle, die man sich von reifenden Feldfrüchten erhofft. Die Anrufung der „Süße“ und des „Einsamstehn“ suggeriert Sehnsucht und Isolation. Die Zeile „Durch das vergilbte Rohr bricht scheu ein Wild“ verweist auf eine zarte, scheue Kreatur, die sich in einer verlassenen, trostlosen Umgebung bewegt. Die Nutzung von Adjektiven wie „vergilbt“ und „still und weiß“ trägt zur Atmosphäre der Melancholie bei.

Im letzten Teil des Gedichts werden das Bild des „Nußbaums“ als Traumsymbol und die Erinnerung an ein „bäurisch Spiel“ der Knaben als Kontrast zu den „verfallenen Hütten“ und dem „abgelebt’ Gefühl“ gesetzt. Der Baum, ein traditionelles Symbol des Lebens und der Fruchtbarkeit, scheint hier eine verzehrte Traumgestalt darzustellen, was auf eine Zerrissenheit zwischen den Erwartungen und der Realität hindeutet. Die „Wolken“, die „tief und schwarz geballt“ über dem Gedicht schweben, veranschaulichen die drohende Trübsal und die allgemeine Gefühlslage der Hoffnungslosigkeit.

Trakls Gedicht ist ein eindrucksvolles Beispiel für den expressionistischen Stil, der durch die Verwendung von starken Bildern, ungewöhnlichen Wortkombinationen und einem Gefühl der inneren Unruhe gekennzeichnet ist. Die Natur, die normalerweise als Quelle der Freude und des Trostes dient, wird hier verzerrt und in einen Zustand der Verzweiflung versetzt. Das Gedicht reflektiert eine allgemeine Stimmung der Depression und des Verlustes, eine Reaktion auf die Verwerfungen der modernen Welt, die sich in den Kontrasten von Leben und Tod, Hoffnung und Verzweiflung manifestiert.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.