Afra
Ein Kind mit braunem Haar. Gebet und Amen
Verdunkeln still die abendliche Kühle
Und Afras Lacheln rot in gelbem Rahmen
Von Sonnenblumen, Angst und grauer Schwüle.
Gehüllt in blauen Mantel sah vor Zeiten
Der Mönch sie fromm gemalt an Kirchenfenstern;
Das will in Schmerzen freundlich noch geleiten,
Wenn ihre Sterne durch sein Blut gespenstern.
Herbstuntergang; und des Holunders Schweigen.
Die Stirne rührt des Wassers blaue Regung,
Ein harnes Tuch gelegt auf eine Bahre.
Verfaulte Früchte fallen von den Zweigen;
Unsäglich ist der Vogel Flug, Begegnung
Mit Sterbenden; dem folgen dunkle Jahre.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Afra“ von Georg Trakl ist eine melancholische Betrachtung, die von einer tiefe Traurigkeit und dem Verfall zeugt. Es entwirft ein Bild, das von religiösen Elementen, Naturbeobachtungen und einer Atmosphäre des nahenden Todes geprägt ist. Der Titel „Afra“ deutet auf eine weibliche Figur hin, die möglicherweise eine heilige oder unschuldige Gestalt repräsentieren könnte, deren Schicksal jedoch von Leid und Vergänglichkeit überschattet wird.
Die erste Strophe beginnt mit einer fast liturgischen Anmutung, indem sie Gebet und Amen in den Mittelpunkt stellt, was auf eine religiöse Thematik hindeutet. Das „braune Haar“ des Kindes, zusammen mit dem „roten Lächeln“, das in einem Rahmen von Sonnenblumen eingefasst ist, erzeugt ein Bild von Unschuld und Schönheit, das jedoch durch die gleichzeitige Erwähnung von „Angst und grauer Schwüle“ sofort getrübt wird. Dies deutet bereits auf eine drohende Gefahr oder eine tragische Entwicklung hin. Die zweite Strophe verstärkt diese religiösen Bezüge und verknüpft Afra mit dem Bild des Mönchs und den Kirchenfenstern. Hier wird die Verbindung zwischen Leben und Tod, Unschuld und Leiden hergestellt, indem die „Sterne“ Afras in dem Blut des Mönchs gespenstern.
Die dritte Strophe markiert einen Übergang zu einer düstereren Naturbeobachtung. Der „Herbstuntergang“ und das „Schweigen“ des Holunders setzen den Ton für eine Szene des Verfalls und des Endes. Das „blaue Regung“ des Wassers und das „harnes Tuch“ auf der Bahre lassen Assoziationen von Tod und Trauer entstehen. Die letzten Zeilen sind besonders eindringlich: „Verfaulte Früchte“ und der „Flug“ eines Vogels, verbunden mit der „Begegnung mit Sterbenden“, verstärken die Atmosphäre des Verfalls und des Abschieds. Die „dunklen Jahre“ am Ende des Gedichts deuten auf eine lange Zeit des Leidens und der Trauer hin.
Insgesamt ist „Afra“ ein Gedicht über die Vergänglichkeit des Lebens, die Unausweichlichkeit des Todes und die Zerstörung von Unschuld und Schönheit. Trakl verwendet Bilder aus der Natur, religiöse Symbole und eine suggestive Sprache, um eine Atmosphäre der Trauer, des Verfalls und der Angst zu erzeugen. Das Gedicht wirft Fragen nach dem Schicksal, dem Leid und der menschlichen Existenz auf, ohne jedoch endgültige Antworten zu liefern. Es ist ein düsteres, aber eindringliches Werk, das den Leser mit seiner melancholischen Schönheit und seinem tiefen Sinn für Verlust und Vergänglichkeit konfrontiert.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.