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Baum im Herbste

Von

Was habt ihr plumpen Tölpel mich gerüttelt
Als ich in seliger Blindheit stand:
Nie hat ein Schreck grausamer mich geschüttelt
— Mein Traum, mein goldner Traum entschwand!

Nashörner ihr mit Elephanten-Rüsseln
Macht man nicht höflich erst: Klopf! Klopf?
Vor Schrecken warf ich euch die Schüsseln
Goldreifer Früchte — an den Kopf.

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Gedicht: Baum im Herbste von Friedrich Nietzsche

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Baum im Herbste“ von Friedrich Nietzsche ist eine kurze, aber intensive Auseinandersetzung mit dem Thema des Verlustes und der Ernüchterung, dargestellt durch die Metapher eines Baumes. Der Baum, der im Herbst seine Blätter verliert, verkörpert hier eine Figur, die durch einen unerwarteten Eingriff aus ihrem Zustand der unbeschwerten Glückseligkeit gerissen wird. Die verwendete Sprache ist, typisch für Nietzsche, kraftvoll und bildreich.

Die ersten vier Zeilen etablieren die Ausgangssituation. Der Baum wird als „plumper Tölpel“ bezeichnet, der in „seliger Blindheit“ stand. Diese Formulierung deutet auf eine Phase des sorglosen Glücks und der Unwissenheit hin. Die „Rüttler“ sind offenbar Störungen von außen, die den Baum aus diesem Zustand reißen und einen „goldnen Traum“ zerstören. Der Verlust dieses Traumes, der sich möglicherweise auf eine Illusion oder ein Ideal bezieht, ist der zentrale Schmerz des Gedichts. Die Verwendung des Wortes „Schreck“ deutet auf ein tiefes Gefühl des Verlustes hin.

Die zweite Strophe vertieft diese Erfahrung durch die Verwendung von drastischen Bildern. Die „Nashörner“ und „Elephanten“ mit ihren „Rüsseln“ stehen für die grobe, ungezügelte Kraft, die den Baum in seiner Ruhe stört. Die rhetorische Frage „Macht man nicht höflich erst: Klopf! Klopf?“ verstärkt die Empfindung der Ungerechtigkeit und des Überfalls. Die Reaktion des Baumes, „Goldreife Früchte“ an den Kopf der Angreifer zu werfen, ist ein Akt der Verzweiflung und des Zorns, ein verzweifelter Versuch, sich gegen die erlittene Zerstörung zu wehren.

Insgesamt ist das Gedicht eine Allegorie für das plötzliche Erwachen aus einem Traum oder einer Phase des Glücks, oft durch äußere Einflüsse. Nietzsche verwendet dabei eine Mischung aus Zorn, Schmerz und einer gewissen Resignation. Die Metapher des Baumes ermöglicht es, universelle menschliche Erfahrungen von Verlust, dem Ende von Illusionen und dem Umgang mit unvermeidlichem Leid zu reflektieren. Der Leser wird hier Zeuge eines inneren Kampfes, eines Aufbegehrens gegen die Widrigkeiten des Lebens.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.