Der letzte Baum
So wie die Sonne untergeht,
Gibt′s einen letzten Baum,
Der, wie in Morgenflammen, steht
Am fernsten Himmelssaum.
Es ist ein Baum und weiter nichts
Doch denkt man in der Nacht
Des letzten wunderbaren Lichts,
So wird auch sein gedacht.
Auf gleiche Weise denk ich dein,
Nun mich die Jugend läßt,
Du hältst mir ihren letzten Schein
Für alle Zeiten fest.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der letzte Baum“ von Friedrich Hebbel ist eine elegische Reflexion über Vergänglichkeit, Erinnerung und die bleibende Kraft der Liebe. Es beginnt mit einem Naturbeobachtung: Dem Bild eines letzten Baumes, der in der untergehenden Sonne wie in „Morgenflammen“ erstrahlt. Diese Szene am „fernen Himmelssaum“ dient als Metapher für das Ende und die Verlorenheit, die jedoch gleichzeitig durch das leuchtende Bild des Baumes eine gewisse Schönheit und Hoffnung birgt. Der Baum wird somit zum Sinnbild für das, was am Ende bleibt, für das, was trotz des Untergangs noch von besonderer Bedeutung ist.
Die zweite Strophe verlagert die Bedeutungsebene: Der Baum wird zum Objekt des Denkens und Erinnerns in der Dunkelheit der Nacht. Die Zeilen implizieren, dass die Erinnerung an das „letzte wunderbare Licht“ – das Bild des Baumes – untrennbar mit ihm verbunden ist. Dies deutet auf die Kraft der Erinnerung und die Art und Weise hin, wie wir Dinge, die uns am Herzen liegen, selbst in Zeiten der Dunkelheit und des Verlustes festhalten und bewahren. Der Baum steht hier stellvertretend für etwas, das in der Erinnerung weiterlebt.
In der letzten Strophe wird der Bezug zum eigenen Gefühl konkret: Der Sprecher vergleicht das Bild des letzten Baumes mit der eigenen Geliebten. Nun, da die Jugend vorübergeht und sich dem Alter nähert, hält die Geliebte ihren „letzten Schein“ fest, der vergleichbar mit dem Licht, das vom Baum ausgeht, für alle Zeiten bewahrt wird. Das Gedicht thematisiert somit nicht nur die Vergänglichkeit, sondern auch die bleibende Kraft der Liebe und der Erinnerung, die dazu fähig sind, der Vergänglichkeit entgegenzuwirken. Die Geliebte wird zur Instanz, die die Erinnerung an die Jugend und die Liebe in sich bewahrt.
Hebbel verwebt in diesem Gedicht Naturbeobachtung, philosophische Reflexion und persönliche Erfahrung. Die klaren Bilder, die einfachen Reime und der ruhige Rhythmus erzeugen eine Atmosphäre der Melancholie und der Kontemplation. Der „letzte Baum“ und die Geliebte werden zu Projektionsflächen für die Auseinandersetzung mit den großen Fragen des Lebens: Vergänglichkeit, Verlust, Erinnerung und die anhaltende Kraft der Liebe, die über den Tod hinauswirkt. Das Gedicht ist ein Zeugnis der Fähigkeit des Menschen, in der Schönheit der Natur Trost und Sinn zu finden.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.