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Zu Victor Scheffel′s sechzigstem Geburtstag

Von

Mein theurer Freund! Nun wirst Du sechzig Jahre:
Und dreißig werden′s, daß wir Freunde sind:
Ein Menschenalter, voll von Lieb′ und Treue,
Von keinem leisen Mißklang je gestört.

Um unsre Schläfe wogte braun Gelock,
Da wir zuerst im Haus des alten Thiersch
In München uns geseh′n und bald empfunden,
Daß innerlichst zusammen wir gehören.

Es hatte just der Ekkehard, der stille,
Selbst des Trompeters helle Ruhmfanfare
Laut übertönt: Du aber sannst bereits
Auf andre Weisen von noch höh′rem Ton:

»Die alte Freundin geistert auf den Straßen!«
Frau Aventiure lockte Dich davon
In Einsamkeit des Bergwalds und des Winters,
Und dort erwuchsen jene Lieder, denen
In deutscher Sprache keine sich vergleichen. –

Welch′ bunte Wechsel sah′n die dreißig Jahre!
»Modern« ward Mancher rasch, vergessen rascher,
Und in der deutschen Dichtung hat der Wind
Des Tagsgeschmacks unzählbar oft gewechselt.
Du bliebst Dir gleich. – Und gleich auch blieb ich mir:
So sind wir immer Hand in Hand gestanden,
Mag den modernsten Schmutz man von Paris,
Mag den Berlins man als »das Schöne« preisen
Und als der Dichtung Zweck, das Ekelhafte
Zu conterfei′n, »zu lösen die Probleme
Der Gegenwart« – (mit Versen und Romanen!)
Mag Volk und Stat man aus der Dichtung bannen,
Langweilig unsre Heldenvorzeit scheltend
Nur Liebesgirren als der Dichtung Stoff
Zulassen in Boudoir und Thee-Salon: –
Uns kümmerte nicht! – Fernab vom Lärm des Tages,
Von der Reclame Narrenschellngerassel,
Steh′n wir, getreu den Jugendidealen,
Das Schöne bildend um der Schönheit willen,
Aus grauer Vorzeit bis zur Gegenwart
Die Wandlungen und minder nicht die Stäte
Von unsres Volkes Eigenart erkundend,
Des neuen Reichs uns freuend, dessen Werth
Die freilich nicht verstehen, die es nicht
Gleich uns entbehrt, ersehnt und miterkämpft.
Weil wir der Jugend treu geblieben sind,
Blieb uns die Jugend treu. Drum Gaudeamus!

Glück auf zu Deinen Sechzigen, mein Victor:
Im Jubeljahr von Deinem Heidelberg,
Ein Sieger, schaust Du rückwärts auf Dein Leben!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Zu Victor Scheffel′s sechzigstem Geburtstag von Felix Dahn

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Zu Victor Scheffel’s sechzigstem Geburtstag“ von Felix Dahn ist eine Hommage an seinen Freund Victor Scheffel anlässlich dessen sechzigsten Geburtstags. Es ist ein Loblied auf die langjährige Freundschaft, die gemeinsame künstlerische Haltung und die Treue zu Idealen in einer sich wandelnden Zeit.

Das Gedicht beginnt mit einer persönlichen Note, indem Dahn die lange Freundschaft hervorhebt, die bereits seit dreißig Jahren besteht. Es beschreibt die gemeinsame Vergangenheit, die im Haus des alten Thiersch in München ihren Anfang nahm. Die Erinnerung an diese Zeit und die gegenseitige Verbundenheit bilden die Grundlage für das gesamte Gedicht. Dahn würdigt Scheffels künstlerisches Schaffen, insbesondere seine literarischen Werke, die aus der Abgeschiedenheit des Bergwaldes entstanden sind. Diese Werke, so Dahn, sind in der deutschen Sprache unübertroffen.

Der Text hebt die Beständigkeit und Treue der beiden Freunde inmitten gesellschaftlicher und literarischer Veränderungen hervor. Während andere „modern“ geworden und in Vergessenheit geraten sind, blieben Dahn und Scheffel ihren Prinzipien treu. Sie distanzierten sich von den zeitgenössischen Strömungen, die den Fokus auf „das Ekelhafte“ und „Liebesgirren“ legten, und bewahrten ihre Ideale der Schönheit und der Auseinandersetzung mit der Geschichte. Dahn kritisiert hier die Tendenzen der modernen Kunst, die er als oberflächlich und entfremdet empfindet.

Das Gedicht endet mit einem freudigen Ausblick auf die Zukunft. Dahn feiert Scheffels Erfolg und die gemeinsamen Errungenschaften. Die Zeile „Weil wir der Jugend treu geblieben sind, / Blieb uns die Jugend treu“ unterstreicht die Bedeutung der Treue zu den Idealen und die damit verbundene jugendliche Frische. Das Gedicht ist somit ein Ausdruck der Dankbarkeit für die gemeinsame Vergangenheit, die Anerkennung des künstlerischen Schaffens und ein Bekenntnis zur Freundschaft und zur Bewahrung von Idealen. Das abschließende „Gaudeamus!“ zeugt von der Freude über das erreichte und die Zuversicht für die Zukunft.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.