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Wie auf Erden, so im Himmel

Von

Am Himmel war’s nicht mehr geheuer,
Es ging dort bunt zu, wie auf Erden,
Es zeigten sich alldort Cometen
Mit langen Demokratenbärten.

Sogleich versuchten es die Wolken,
Die rothe Fahne aufzuhissen;
Von den Plejaden ward das Pflaster
In der Milchstraße aufgerissen.

Das ganze Firmament ist drüber
In große Aufregung gerathen,
Man baute gleich von allen Seiten
Gewaltig hohe Barrikaden.

Im Mond auch ist die Ruh gestöret
Durch Neurungssüchtige geworden,
Die Mondkälber, die lammesfrommen,
Empörten sich zu Hauf alldorten.

Belagerungszustand ward im Reiche
Des Mondes als’bald proklamiret,
Das von den himmlischen Heerscharen
Auf allen Seiten ward cerniret.

Darum ist auch eine totale
Mondsfinsterniß gleich eingetreten,
’s Martialgesetz ward laut verlesen,
Zur Nachachtung für einen Jeden.

Warum die Unruh‘ ausgebrochen,
Das will ich euch, ihr Leute, sagen;
Ein demokratisch Mondkalb hatte
In der Versammlung angetragen,

»Daß sich der Mond doch nicht mehr ferner
»Her zum Trabant der Erde gebe,
»Weil dies der Würd‘ des Himmelskörpers,
»Des souveränen, widerstrebe.

»Weil es gehöre zu den alten
»Vormärzlichen Einrichtungen
»Die tief im Feudalschlamme wurzelnd,
»Bedürften neuer Sichtungen.

Auf diese Rede gab’s Spektakel,
Vernichten wollt man die Gewalten.
Da kam die Herrscherin Frau Sonne,
Und sprach: O Plebs, es bleibt beim Alten.

»Der Mond, die Sterne und ich selber,
»Wir folgen den gewohnten Bahnen,
»Und die verführten Freiheitskälber,
»Sie ducken sich vor unsern Fahnen.

»Wer’s aber wagt, sich den Befehlen,
»Die ich jetzt geb‘, zu widersetzen,
»Der büß es schwer, den will ich Wrangeln
»Und Jellatschitzen, Windischgrätzen.«

Und Alles zittert, als die Sonne,
Die strenge Drohung ausgesprochen.
Und die erschrocknen Himmelskörper
Sind allesammt zu Kreuz gekrochen.

*

So werdens auch die Fürsten machen,
Ihr Arm wird in die Massen dringen
Und wird, eh‘ ihr es selber denket
Zurück in’s alte Joch euch bringen.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Wie auf Erden, so im Himmel von Kathinka Zitz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Wie auf Erden, so im Himmel“ von Kathinka Zitz ist eine bissige politische Satire, die die politischen Unruhen und revolutionären Bestrebungen der 1840er Jahre in Deutschland auf humorvolle und übertriebene Weise persifliert. Es überträgt das politische Geschehen der Erde in den Himmel und nutzt himmlische Figuren und Ereignisse, um die politischen Akteure und deren Taktiken zu karikieren. Der Titel selbst deutet auf diese Spiegelung hin: Was auf der Erde geschieht, spiegelt sich im Himmel wider.

In den ersten Strophen wird ein Bild des Chaos und der Aufruhr im Himmel entworfen. Kometen mit „Demokratenbärten“ tauchen auf, Wolken versuchen, die „rothe Fahne“ zu hissen, und die Plejaden reißen das „Pflaster“ der Milchstraße auf. Diese Bilder symbolisieren die revolutionären Kräfte und ihre Bemühungen, die etablierten Ordnungen zu stören. Die Mondkälber, als Metapher für das ungebildete Volk, empören sich und fordern Veränderungen. Diese himmlischen Aufstände sind eine humorvolle Übertragung der realen politischen Unruhen auf die kosmische Ebene.

Der Wendepunkt des Gedichts ist die Intervention der Sonne, die als Vertreterin der etablierten Ordnung und der monarchischen Herrschaft fungiert. Sie droht den „verführten Freiheitskälbern“ und ordnet an, dass alles beim Alten bleibt. Die Sonne, die hier eine Parallele zu den Fürsten und Herrschern auf der Erde zieht, zeigt autoritäres Verhalten und setzt auf Gewalt, um die Revolution niederzuschlagen. Durch die Drohungen der Sonne wird die Opposition eingeschüchtert, und die himmlischen Körper unterwerfen sich wieder der alten Ordnung. Die Verwendung von Namen wie „Wrangeln“, „Jellatschitzen“ und „Windischgrätzen“ verweist auf reaktionäre Generäle und Staatsmänner, die für die Unterdrückung von Revolutionen in der Zeit der Autorin bekannt waren.

Das Gedicht endet mit einer direkten Warnung an die Leser, die die Parallelen zur irdischen Politik verstärkt. Die „Fürsten“ werden, so wird vorhergesagt, die aufständischen Massen unterdrücken und sie in das „alte Joch“ zurückbringen. Zitz malt ein düsteres Bild der Zukunft, in dem die revolutionären Hoffnungen zerschlagen werden und die alten Machtstrukturen wiederhergestellt werden. Die Ironie liegt darin, dass das Gedicht die revolutionären Bestrebungen als kindisch und chaotisch darstellt, während die etablierte Ordnung als brutal und autoritär porträtiert wird.

Insgesamt ist „Wie auf Erden, so im Himmel“ eine scharfe politische Satire, die die gesellschaftlichen und politischen Spannungen der Zeit kritisiert. Durch die Übertragung der politischen Konflikte in eine himmlische Welt schafft Zitz eine humorvolle, aber auch beunruhigende Reflexion über Macht, Revolution und die Schwierigkeit, Veränderungen herbeizuführen. Das Gedicht ist ein Kommentar zur politischen Situation in Deutschland, der die Hoffnung auf einen Wandel dämpft und die Resignation der Autorin über die reaktionären Kräfte im Land widerspiegelt.

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.