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Wenn ich ein König wär′

Von

Wenn ich ein König wäre, säh′ ich des Volkes Schmerzen,
Und tiefe Trauer trüg′ ich alsdann in meinem Herzen,
Ich wäre nicht erblindet für seine große Noth,
Nicht taub für seine Klagen, wenn ihm Verderben droht.

Ich säh′ die Einen schwelgen in ihren Prunkgemächern,
Sie edle Weine schlürfen aus Gold- und Silberbechern,
In Duhnenbetten ruhen, mit Seide zugedeckt,
Bis sie die hohe Sonne aus süßem Schlummer weckt.

In säh′, wie sie den Lüsten, den eitlen, Opfer zollen.
Von Rossen stolz gezogen, vom Fest zur Oper rollen,
Wie sie dann sorglos schlafen in sichrer Gegenwart,
Vertrauend auf die Zukunft, die ihrer Tage harrt.

Doch säh′ ich auch die Andern in ungesunden Räumen,
Die fort und fort beschäftigt, die nimmer müßig säumen,
Die unterm Dache wohnend, gebettet sind auf Stroh,
Von Lumpen kaum bedecket, die nie des Lebens froh,

Durch Fleiß und saure Mühe nicht so viel sich erwerben,
Zu sättigen die Kinder, die fast vor Hunger sterben,
Zu wärmen nur die Kleinen, die′s friert bei Nacht und Tag,
Und die doch leben müssen, weil sie der Tod nicht mag.

Ihr Leben voll Entbehrung, voll Kummer und voll Sorgen,
Bekrönt als Schmerzensstachel, die Furcht vorm andern Morgen,
Da sie nicht wissen können, ob er das dürft′ge Brod
Den Armen wird bescheren, ob größer wird die Noth.

Und säh′ ich so die Reichen, und säh′ ich so die Armen,
So würd′ ich mich der Letztern mit mildem Sinn erbarmen;
Mit jenen die da leiden, mit jenen litt auch ich,
Ihr Schicksal zu verbessern, das nähm′ ich stolz auf mich.

So lang in meinem Reiche noch Bettler vor sich fänden,
So lange noch Arbeiter mit starken fleiß′gen Händen,
Vergebens an Werkstätten um Arbeit klopfen an,
So lange würd′ ich glauben, ich hätte nichts gethan.

Den lügenden Ministern, die sich oft dreist erfrechen,
Vom Wohlstand eines Landes mit feiler Zung′ zu sprechen,
Würd′ ich nicht Glauben schenken, so lang des Armen Schweiß,
Den Reichen Früchte bringet, von denen er nichts weiß.

Ich würde Mitleid haben mit jenen armen Müttern,
Die mit gebrochenem Herzen, mit Händen welche zittern,
Den neugebornen Knaben auf einen Straßenstein
Aussetzen, weil zu Haus ihn bedroht des Hungers Pein.

Auch mit den Waisenkindern, die kaum die süßen Gaben
Der Elternlieb′ genossen, würd′ ich stets Mitleid haben,
Die längst den Kuß der Mutter, des Vaters Sorg′ entbehrt,
Die schon am Lebensmorgen von Druck und Last beschwert.

Ich würde Mitleid haben mit Mädchen und mit Frauen,
Die schön und jung an Jahren, vergebens um sich schauen
Nach Arbeit, bis das Elend sie nach und nach entblößt,
Und mit brutalem Fuße in die Verderbnis stößt.

Auch dem Fabrikarbeiter würd′ ich mein Mitleid schenken,
Und mit besonderm Eifer auf seine Hebung denken,
Denn dieser ist der Sträfling, der Sklav′ der Industrie,
Und die Befreiungsstunde schlägt diesem Armen nie.

Doch ja, sie schlägt am Ende, wenn aus des Lebensketten,
Der Tod kommt, um den Müden ins tiefe Grab zu retten;
Im Leben nur Maschine, darf er nie stille steh′n,
Und gleich dem ew′gen Juden, muß er stets vorwärts geh′n.

Mich dauerte der Weber, der still das Schiffchen drehet,
Der reiche Stoffe webet und selbst halb nackend gehet;
Mich dauerte der Maurer der früh und spät sich quält,
Der andern Häuser bauet, und dem ein Obdach fehlt.

Mich dauerte der Landmann, der häuft die goldnen Garben,
Und der dabei in Armuth bei Kleienbrod muß darben;
Mich dauerte ein Jeder, der fleißig sich bestrebt,
Der Andern Reichthum schaffet, und selbst im Elend lebt.

Des Volkes laute Klagen, die Thränen, die da fallen,
Die würden mir im Herzen beständig widerhallen.
Ich könnte nimmer ruhen, bis ich den Grund erschaut,
Bis denen ich geholfen, die mir ihr Glück vertraut.

Und würd′ es mir gelingen da Wohlstand zu verbreiten,
Wo jetzt die Armuth waltet, wo Noth und Elend streiten,
Hätt′ ich die Volksverblutung mit milder Hand gestillt,
Ja, dann erst würd′ ich glauben, sei meine Pflicht erfüllt.

Und wenn mich Der beriefe, der alle Spaltung schlichtet,
Der Könige und Bettler mit gleicher Strenge richtet,
Bät′ ich vor Gottes Throne in jenem Geisterland:
„O Herr! beschütz′ die Völker, die Vater mich genannt.“

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Wenn ich ein König wär′ von Kathinka Zitz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Wenn ich ein König wär’“ von Kathinka Zitz ist eine soziale Klage und ein Appell an die Empathie. Es entwirft eine hypothetische Situation, in der die Autorin die Rolle eines Königs einnimmt, um die sozialen Ungerechtigkeiten und das Leid des Volkes zu beobachten und zu lindern. Das Gedicht ist in einer einfachen, direkten Sprache gehalten, die die Dringlichkeit der Thematik unterstreicht und die Leserschaft emotional ansprechen soll. Die Autorin verzichtet auf allzu elaborierte sprachliche Mittel und setzt stattdessen auf eine klare, nachvollziehbare Darstellung der sozialen Missstände.

Der Text gliedert sich in mehrere Abschnitte, die jeweils die verschiedenen sozialen Ungerechtigkeiten ansprechen, die die Autorin als König beheben würde. Zuerst werden die Unterschiede zwischen Reichen und Armen dargestellt. Die Reichen werden als luxuriös lebend beschrieben, während die Armen in Armut und Elend leben. Die Autorin, als König, würde sich vor allem den Armen zuwenden und versuchen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Sie würde Mitleid haben mit den Ärmsten der Armen, wie den verlassenen Kindern, den arbeitslosen Frauen und den Fabrikarbeitern.

Das Gedicht ist stark von einem moralischen Impetus getragen. Es drückt eine tiefe Besorgnis über die Ungleichheit in der Gesellschaft aus und fordert eine gerechtere Verteilung von Wohlstand und Chancen. Der fiktive Königswunsch dient als Vehikel, um eine Vision einer gerechteren Welt zu skizzieren. Zitz betont wiederholt die Notwendigkeit von Mitleid und sozialer Verantwortung. Sie kritisiert indirekt die Ignoranz und das Desinteresse der Reichen an den Leiden der Armen und appelliert an die Leser, sich für das Wohl des Volkes einzusetzen.

Die Struktur des Gedichts folgt einem klaren Muster: Zuerst die Beobachtung des Leids und dann der Wunsch nach Abhilfe. Die Autorin listet die sozialen Missstände auf, wie Armut, Hunger, fehlende Bildung und Ausbeutung, und formuliert im gleichen Atemzug, wie sie diese Zustände beheben würde. Dies unterstreicht die politische Botschaft des Gedichts. Der Wunsch nach Gerechtigkeit und sozialer Verbesserung ist der Kern dieser poetischen Aussage. Die vielen Wiederholungen von „Ich würde“ und „Mich dauerte“ verstärken den Wunsch nach einer besseren Welt, in der Mitgefühl und Gerechtigkeit regieren.

Das Gedicht endet mit einem Appell an die höhere Macht, was die tiefe Überzeugung der Autorin vom Wert der Gerechtigkeit unterstreicht. Die Vorstellung, nach dem Tod vor Gott für sein Handeln Rechenschaft ablegen zu müssen, verdeutlicht die moralische Dimension des Gedichts. Die Autorin hofft, dass ihr Handeln als König im Jenseits anerkannt wird. Insgesamt ist das Gedicht eine engagierte Kritik an den sozialen Ungerechtigkeiten ihrer Zeit und ein leidenschaftlicher Aufruf zu mehr Mitgefühl, Gerechtigkeit und sozialer Verantwortung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.