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Weh′ euch, ihr stolzen Hallen

Von

Da soll die Hütte niemand bauen,
da siedle nie ein Mensch sich an,
wo man den Dichtern nicht mehr trauen,
wo man kein Lied mehr hören kann!
Wo man der Leier goldne Saite
weit schlimmer fürchtet als das Schwert!
Wo zu der Geister frischem Streite
man weder Raum noch Licht gewährt!
Was nützt es Tempel zu errichten,
wenn ihr die Götter selbst vertreibt?
Die Wahrheit sucht ihr zu vernichten:
Was nützt es, daß die Lüge bleibt?! –
Ihr habt euch selbst das Los gezogen,
die Stunde naht, das Maß ist voll;
und statt der Leier greift den Bogen
der rächende, der Gott Apoll!

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Gedicht: Weh′ euch, ihr stolzen Hallen von Robert Eduard Prutz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Weh‘ euch, ihr stolzen Hallen“ von Robert Eduard Prutz ist eine wütende Anklage an eine Gesellschaft, die die Kunst, insbesondere die Dichtung, verachtet und unterdrückt. Der Dichter nimmt eine prophetische Position ein und verurteilt die Obrigkeit, die durch ihre Handlungen ihre eigene Zerstörung heraufbeschwört. Das Gedicht ist ein Aufschrei gegen die Zensur und die Intoleranz, die Künstler und ihre Werke zum Schweigen bringen wollen.

Die ersten vier Verse skizzieren eine ideale Welt, in der die Dichter verehrt und ihre Lieder gehört werden. Die „Hütte“, die nicht gebaut werden soll, symbolisiert die Gesellschaft, in der die Kunst keinen Platz mehr hat. Das Verbot des Siedelns steht für das Fehlen von Inspiration und die Unfähigkeit, eine lebendige Kultur zu schaffen. Die Warnung richtet sich an jene, die die Dichter „nicht mehr trauen“ und die Kunst „weit schlimmer fürchten als das Schwert“. Dies unterstreicht die Macht, die der Dichtung zugeschrieben wird, und die Angst der Machthabenden vor der Wahrheit und dem kritischen Potenzial der Künstler.

In der zweiten Strophe wird die Unterdrückung der Kunst mit dem Verstoß gegen die Götter verglichen. Das Gedicht fordert, dass dem „frischem Streite“ der Geister „weder Raum noch Licht gewährt“ wird, was auf die Zensur und die Weigerung, neue Ideen zuzulassen, hinweist. Die Frage, was es nützt, „Tempel zu errichten“, wenn die Götter selbst vertrieben werden, zeigt die Sinnlosigkeit äußerlicher Pracht ohne innere Werte. Die Vernichtung der Wahrheit und das Überleben der Lüge sind für Prutz der Gipfel des moralischen Verfalls und der Grund für das bevorstehende Unheil.

Die letzte Strophe enthält die eigentliche Drohung und die Prophezeiung des Untergangs. Die Gesellschaft, die sich gegen die Kunst stellt, hat sich ihr „Los gezogen“, und die „Stunde naht“. Anstelle der „Leier“ des Dichters wird der „Bogen“ des rächenden Apoll eingesetzt, der Gott der Künste und der Gerechtigkeit. Diese abschließende Metapher verdeutlicht die Vorstellung, dass die Unterdrückung der Kunst nicht nur einen kulturellen, sondern auch einen moralischen Verfall zur Folge hat, der letztendlich zur Selbstzerstörung führt. Das Gedicht ist somit ein Appell an die Bedeutung der Kunst und der Wahrheit in einer gesunden Gesellschaft.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.