Wasserflut
Manche Trän′ aus meinen Augen
Ist gefallen in den Schnee;
Seine kalten Flocken saugen
Durstig ein das heiße Weh.
Wenn die Gräser sprossen wollen
Weht daher ein lauer Wind,
Und das Eis zerspringt in Schollen
Und der weiche Schnee zerrinnt.
Schnee, du weißt von meinem Sehnen,
Sag′, wohin doch geht dein Lauf?
Folge nach nur meinen Tränen,
Nimmt dich bald das Bächlein auf.
Wirst mit ihm die Stadt durchziehen,
Munt′re Straßen ein und aus;
Fühlst du meine Tränen glühen,
Da ist meiner Liebsten Haus.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Wasserflut“ von Wilhelm Müller ist ein lyrisches Klagelied, das die Sehnsucht und den Schmerz des lyrischen Ichs über eine verlorene Liebe zum Ausdruck bringt. Die Tränen des Sprechers werden in den Schnee geweint und personifiziert, um als Boten der unerfüllten Liebe zu fungieren. Der Schnee wird aufgefordert, den Tränen zu folgen und so den Weg zum Haus der Geliebten zu finden.
Die Natur dient als Spiegel der inneren Gefühlswelt des lyrischen Ichs. Der Schnee, der die Tränen aufsaugt, symbolisiert die Kälte und Leere, die der Verlust der Liebe hinterlassen hat. Das Auftauen des Schnees im Frühling steht metaphorisch für die Hoffnung auf eine Wiederbelebung der Gefühle oder zumindest eine Weiterleitung der Botschaft der Sehnsucht. Der Wind und das Bächlein, die den Schnee mit sich forttragen, werden zu Mittlern zwischen dem Sprecher und der abwesenden Geliebten.
Die Verse zeichnen ein Bild der rastlosen Suche des lyrischen Ichs nach Nähe zur Geliebten. Die Vorstellung, dass der Schnee, vermischt mit den Tränen, durch die Stadt zieht und schließlich das Haus der Geliebten erreicht, ist sowohl poetisch als auch verzweifelt. Die Tränen, die im Haus der Geliebten zu glühen beginnen, sollen dort eine emotionale Resonanz erzeugen und vielleicht das Herz der Geliebten berühren. Die einfache, volksliedhafte Sprache unterstreicht die Aufrichtigkeit und Tiefe des Schmerzes, der in dem Gedicht zum Ausdruck kommt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.