Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , ,

Was wird mir jede Stunde so bang?

Von

Was wird mir jede Stunde so bang? –
Das Leben ist kurz, der Tag ist lang.
Und immer sehnt sich fort das Herz,
Ich weiß nicht recht, ob himmelwärts;
Fort aber will es hin und hin,
Und möchte vor sich selber fliehn.
Und fliegt es an der Liebsten Brust,
Da ruhts im Himmel unbewußt;
Der Lebe-Strudel reißt es fort,
Und immer hängts an Einem Ort;
Was es gewollt, was es verlor,
Es bleibt zuletzt sein eigner Tor.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Was wird mir jede Stunde so bang? von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Was wird mir jede Stunde so bang?“ von Johann Wolfgang von Goethe erkundet die tiefe Unruhe und Rastlosigkeit des menschlichen Daseins. Es ist ein Ausdruck der existenziellen Zerrissenheit, die durch die Kürze des Lebens und die Sehnsucht nach dem Unbekannten hervorgerufen wird. Goethes Worte erfassen die innere Zerrissenheit, die den Menschen plagt, zwischen dem Wunsch nach Erfüllung und der Angst vor dem Verlust.

Das Gedicht beginnt mit der Frage nach der Ursache der ständigen Beklommenheit, die den Sprecher erfasst. Die Antwort, „Das Leben ist kurz, der Tag ist lang“, deutet auf die Diskrepanz zwischen der begrenzten Lebensspanne und dem scheinbar endlosen Fluss der Zeit hin. Diese Kluft erzeugt ein Gefühl der Unruhe und des inneren Drangs. Das Herz, ein zentrales Symbol der Emotionen, sehnt sich fort, was auf eine tiefe Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Situation hindeutet. Die Ungewissheit, ob diese Sehnsucht „himmelwärts“ gerichtet ist, unterstreicht die Ambivalenz des Gefühls und die Suche nach einem Sinn, der der Person entzogen zu sein scheint.

Der Mittelteil des Gedichts beschreibt das paradoxe Verhalten des Herzens, das gleichzeitig vor sich selbst fliehen möchte und doch an einem einzigen Ort verharrt. Selbst die Nähe zur geliebten Person, die im „Himmel unbewußt“ Ruhe verheißen könnte, vermag die Rastlosigkeit nicht gänzlich zu besänftigen. Die Metapher des „Lebe-Strudels“, der das Herz fortreißt, verdeutlicht die Dynamik des Lebens, die den Menschen unaufhörlich in Bewegung hält und ihn gleichzeitig an einen bestimmten Ort bindet. Dies unterstreicht die Unfähigkeit des Menschen, sich von seinen Wünschen und Verlusten zu befreien.

Das Gedicht endet mit einer ernüchternden Erkenntnis: Der Mensch bleibt am Ende „sein eigner Tor“. Diese Schlusszeile fasst die Tragik des menschlichen Zustands zusammen. Trotz aller Sehnsüchte, Wünsche und Verluste ist der Mensch letztlich Gefangener seiner selbst, unfähig, aus seinem eigenen Kreislauf auszubrechen. Goethe thematisiert hier die Vergeblichkeit des Strebens nach Erfüllung und die letztendliche Einsamkeit des Menschen, die durch die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit erzeugt wird.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.