Wanderung
Wohlauf und frisch gewandert ins unbekannte Land!
Zerrissen, ach zerrissen, ist manches teure Band.
Ihr heimatlichen Kreuze, wo ich oft betend lag,
Ihr Bäume, ach, ihr Hügel, oh blickt mir segnend nach.
Noch schläft die weite Erde, kein Vogel weckt den Hain,
Doch bin ich nicht verlassen, doch bin ich nicht allein,
Denn, ach, auf meinem Herzen trag′ ich ihr teures Band,
Ich fühl′s, und Erd und Himmel sind innig mir verwandt.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Wanderung“ von Justinus Kerner ist eine melancholische Reflexion über Abschied, Verlust und die Suche nach Trost in der Natur. Es drückt ein Gefühl der Entwurzelung und Sehnsucht aus, das durch die Erfahrung des Verlustes und die Notwendigkeit eines Neuanfangs entsteht. Das Gedicht ist von einer tiefen Romantik geprägt, die sich in der Naturverbundenheit und der Betonung der Gefühle des lyrischen Ichs manifestiert.
Die ersten vier Zeilen etablieren das zentrale Thema der Wanderung und des Abschieds. Die Formulierung „Wohlauf und frisch gewandert ins unbekannte Land!“ suggeriert einen Aufbruch, aber auch eine gewisse Verzweiflung, die durch das „Zerrissen, ach zerrissen, ist manches teure Band“ ausgedrückt wird. Die heimatlichen Kreuze, Bäume und Hügel werden als Zeugen der Vergangenheit angerufen, und der Wunsch nach einem segnenden Blick offenbart eine Sehnsucht nach Trost und Unterstützung auf dem Weg in die Ungewissheit. Das „teure Band“ symbolisiert möglicherweise eine verlorene Liebe oder Bindung, die das lyrische Ich mit seiner Heimat verband.
Die zweite Strophe wechselt von der äußeren zur inneren Landschaft. Obwohl die Natur noch ruht („Noch schläft die weite Erde“), ist das lyrische Ich nicht allein. Es trägt das „teure Band“ auf seinem Herzen, was darauf hindeutet, dass die Erinnerung an die verlorene Liebe oder Bindung mit ihm reist und ihn begleitet. Die Zeile „Ich fühl’s, und Erd und Himmel sind innig mir verwandt“ drückt ein Gefühl der Verbundenheit mit der Welt aus, das durch die innere Erfahrung der Liebe und des Verlustes verstärkt wird. Die Natur wird hier nicht nur als Kulisse, sondern als Spiegelbild der eigenen Gefühlswelt wahrgenommen.
Insgesamt ist „Wanderung“ ein Gedicht über die Verarbeitung von Verlust und die Suche nach Trost in der Natur und in der Erinnerung. Es zeigt die tiefe Sehnsucht nach Geborgenheit und Verbundenheit, die in Zeiten des Abschieds und der Veränderung aufkommen kann. Die einfache Sprache und die romantischen Bilder verstärken die emotionale Wirkung des Gedichts und machen es zu einem bewegenden Ausdruck menschlicher Erfahrungen. Die Wanderung wird so zu einer Metapher für den Lebensweg, der von Verlusten, aber auch von der Suche nach neuen Wegen und der Wiederentdeckung der eigenen inneren Stärke geprägt ist.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.