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Wahl

Von

Der Tanz, der ist zerstoben,
Die Musik ist verhallt,
Nun kreisen Sterne droben,
Zum Reigen singt der Wald.

Sind alle fortgezogen,
Wie ists nun leer und tot!
Du rufst vom Fensterbogen:
„Wann kommt das Morgenrot!“

Mein Herz möcht mir zerspringen,
Darum so wein ich nicht.
Darum so muß ich singen,
Bis daß der Tag anbricht.

Eh es beginnt zu tagen:
Der Strom geht still und breit,
Die Nachtigallen schlagen,
Mein Herz wird mir so weit!

Du trägst so rote Rosen,
Du schaust so freudenreich,
Du kannst so fröhlich kosen,
Was stehst du still und bleich?

Und laß sie gehn und treiben
Und wieder nüchtern sein,
Ich will wohl bei dir bleiben!
Ich will dein Liebster sein!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Wahl von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Wahl“ von Joseph von Eichendorff beschreibt eine melancholische Stimmung der Einsamkeit und Sehnsucht, die in der Natur Trost und eine neue Hoffnung findet. Es handelt von der Entscheidung, sich von flüchtigem Vergnügen abzuwenden und sich einer tieferen, beständigeren Liebe zuzuwenden, die im Kontrast zur Vergänglichkeit der Welt steht. Das Gedicht beginnt mit dem Bild des Tanzes, der verklungen ist, und der Musik, die verstummt ist – Symbole für die flüchtige Freude und das Ende eines Festes. Der Dichter fühlt sich verlassen und allein, was sich in der Frage nach dem Morgenrot widerspiegelt, dem Wunsch nach einem neuen Anfang und dem Ende der Dunkelheit.

Im zweiten Teil des Gedichts wird die innere Zerrissenheit des lyrischen Ichs deutlich. Das Herz droht zu zerspringen, aber anstatt in Tränen auszubrechen, sucht der Dichter Trost im Gesang und in der Natur. Die Nachtigallen schlagen, der Strom fließt still, und die Welt wird weit, was auf eine Öffnung der Seele und eine Verbundenheit mit der Natur hindeutet. Diese Szene der Ruhe und der Schönheit dient als Kontrast zu der vorherigen Leere und dem Schmerz, wodurch die Hoffnung auf eine innere Heilung und eine neue Perspektive verdeutlicht wird. Die Natur wird hier zum Spiegel der eigenen Gefühle und zum Ort der Erneuerung.

Im dritten Teil erfolgt die eigentliche „Wahl“. Das lyrische Ich wendet sich einer Person zu, die rote Rosen trägt und voller Freude scheint, aber gleichzeitig bleich und in sich gekehrt wirkt. Diese Person repräsentiert eine tiefe, vielleicht unerwiderte Liebe, die im Gegensatz zu den flüchtigen Freuden steht, die zuvor verschwunden sind. Die Frage nach dem „Warum“ des Stillstehens deutet auf eine mögliche Zögerlichkeit oder einen inneren Konflikt der angesprochenen Person hin.

Das Gedicht endet mit der bewussten Entscheidung des lyrischen Ichs, bei dieser Person zu bleiben und ihr Liebster zu sein. Dies ist die „Wahl“ des Titels, die Abkehr von vergänglichen Freuden und die Hinwendung zu einer tiefen, beständigen Liebe. Die Entscheidung wird als bewusste Handlung dargestellt, die die Sehnsucht und den Schmerz überwindet. Es ist ein Bekenntnis zur Treue und zur Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft, selbst wenn die Liebe unerwidert erscheint oder von Unsicherheiten begleitet wird.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.