Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , ,

Vineta

Von

Aus des Meeres tiefem, tiefem Grunde
Klingen Abendglocken dumpf und matt,
Uns zu geben wunderbare Kunde
Von der schönen alten Wunderstadt.

In der Fluten Schoß hinabgesunken,
Blieben unten ihre Trümmer stehn.
Ihre Zinnen lassen goldne Funken
Widerscheinend auf dem Spiegel sehn.

Und der Schiffer, der den Zauberschimmer
Einmal sah im hellen Abendrot,
Nach derselben Stelle schifft er immer,
Ob auch rings umher die Klippe droht.

Aus des Herzens tiefem, tiefem Grunde
Klingt es mir, wie Glocken, dumpf und matt.
Ach, sie geben wunderbare Kunde
Von der Liebe, die geliebt es hat.

Eine schöne Welt ist da versunken,
Ihre Trümmer blieben unten stehn,
Lassen sich als goldne Himmelsfunken
Oft im Spiegel meiner Träume sehn.

Und dann möcht ich tauchen in die Tiefen,
Mich versenken in den Widerschein,
Und mir ist, als ob mich Engel riefen
In die alte Wunderstadt herein.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Vineta von Wilhelm Müller

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Vineta“ von Wilhelm Müller thematisiert auf romantische Weise den Mythos der versunkenen Stadt Vineta und verknüpft diesen mit der verlorenen Liebe des lyrischen Ichs. Das Gedicht evoziert zunächst eine geheimnisvolle Atmosphäre, indem es vom dumpfen Läuten der Abendglocken aus der Meerestiefe berichtet. Diese Klänge werden als „wunderbare Kunde“ einer versunkenen, wundersamen Stadt beschrieben, wodurch eine Sehnsucht nach einer vergangenen, idealisierten Welt geweckt wird.

Der zweite Teil des Gedichts verlagert den Fokus auf die sichtbaren Überreste Vinetas, die sich als „goldne Funken“ im Wasserspiegel zeigen. Dieses Bild erzeugt eine Vorstellung von Schönheit und Pracht, die trotz des Untergangs der Stadt noch immer präsent ist. Der Schiffer, der diesen „Zauberschimmer“ einmal erblickt hat, wird unwiderstehlich angezogen und riskiert sogar die gefährlichen Klippen, um diese Vision wiederzuerlangen. Diese Obsession deutet auf eine tiefe Sehnsucht nach etwas Verlorenem hin, das im realen Leben nicht mehr greifbar ist.

Im dritten und letzten Teil des Gedichts wird die Analogie zur verlorenen Liebe des lyrischen Ichs deutlich. Die Glocken, die nun aus dem Herzen klingen, erinnern an eine „Liebe, die geliebt es hat“. Wie Vineta ist auch diese Liebe versunken, ihre „Trümmer“ leben jedoch in den Träumen und Erinnerungen des lyrischen Ichs fort. Der Wunsch, in die Tiefen zu tauchen und sich im „Widerschein“ zu versenken, symbolisiert das Verlangen, sich der schmerzhaften Vergangenheit hinzugeben und in der idealisierten Erinnerung an die verlorene Liebe Zuflucht zu suchen. Der Ruf der Engel verstärkt die Vorstellung einer transzendenten Dimension, in die das lyrische Ich eintauchen möchte, um die verlorene Schönheit und Liebe wiederzufinden.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.