Unterm Baum
Unterm Baum im Sonnenstrahle
Liegt ein rotes, träges Kind,
Schläft so lange, bis zum Mahle
Früchte abgefallen sind.
Einer hängt der schweren Äste
Fast herab auf sein Gesicht,
Beut ihm still der Früchte beste,
Doch sie pflücken mag es nicht.
Flink vom fernen Bergesgipfel
Eilt der Mittagswind daher,
Schüttelt leise, und vom Wipfel
Fällt es, gelb, wie Gold, und schwer.
Daß das Bübchen, nun die Spende
Aus dem Grase winkt, erwacht,
Setzt auf eine seiner Hände
Sich die kleinste Mücke sacht.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Unterm Baum“ von Friedrich Hebbel beschreibt in vier Strophen ein idyllisches Bild von einem Kind, das unter einem Baum liegt, und verbindet dieses mit einer kleinen Naturbeobachtung. Das Kind schläft im Sonnenlicht, während reife Früchte vom Baum fallen. Die ruhige, fast statische Beschreibung im ersten Abschnitt etabliert eine Atmosphäre der Ruhe und des ungestörten Seins. Das „rote, träge Kind“ spiegelt eine Unbekümmertheit und einen Zustand wider, in dem die Zeit scheinbar keine Bedeutung hat, und die Natur ihren Lauf nimmt.
Die zweite Strophe lenkt den Blick auf eine spezielle Frucht, die fast vor das Gesicht des Kindes hängt und so die Früchte anbietet. Das Kind jedoch zeigt kein Interesse, es scheint in seinem Schlaf gefangen und passiv zu sein. Diese Zeilen deuten auf eine gewisse Trägheit und eine mangelnde Bereitschaft, die Gaben der Natur anzunehmen, hin. Der Baum, als Beschützer und Versorger dargestellt, bietet die Früchte an, doch das Kind reagiert nicht. Diese Passivität wird zum zentralen Thema des Gedichts.
In der dritten Strophe tritt der Wind als Akteur auf, der die reifen Früchte vom Baum schüttelt. Die Beschreibung „gelb, wie Gold, und schwer“ verleiht den Früchten eine besondere Wertigkeit, die im Gegensatz zur vorherigen Passivität des Kindes steht. Der Wind, als eine Naturgewalt, handelt im Sinne des natürlichen Kreislaufs und bringt die reifen Früchte zu Fall. Der Wechsel des Kindes von der Passivität zur Interaktion mit der Natur deutet auf eine allmähliche Wandlung hin.
In der letzten Strophe erwacht das Kind, nun von der Frucht und dem Wind geweckt, und nimmt die Gabe der Natur entgegen. Bemerkenswert ist die Detailbeobachtung einer „kleinste Mücke“, die sich auf die Hand des Kindes setzt. Das Gedicht endet mit einem Bild des Erwachens und der zarten Interaktion mit der kleinen Welt. Es deutet auf eine neue Achtsamkeit und eine sanfte Verbindung zur Natur, nachdem die Passivität des Kindes überwunden wurde. Die Metapher des Kindes unter dem Baum kann als Darstellung des Menschen im Angesicht der Natur interpretiert werden, der durch die Aktivität der Natur selbst erweckt und sensibilisiert wird.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.