Immer wieder in die Weite,
Über Länder an das Meer,
Phantasien, in der Breite
Schwebt am Ufer hin und her!
Neu ist immer die Erfahrung:
Immer ist dem Herzen bang,
Schmerzen sind der Jugend Nahrung,
Tränen seliger Lobgesang.
Ungeduld
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Ungeduld“ von Johann Wolfgang von Goethe fängt die jugendliche Rastlosigkeit und die damit einhergehende innere Zerrissenheit ein. Es beschreibt das ständige Verlangen nach Neuem und die gleichzeitige Beklommenheit, die mit dem Aufbruch in Unbekanntes einhergeht. Die zentrale Thematik ist die Unruhe, die jugendliche Gemüter antreibt, immer weiter zu streben und die Welt zu erkunden.
Die ersten vier Verse etablieren das Motiv der Bewegung und des Fernwehs. Die Zeilen „Immer wieder in die Weite, / Über Länder an das Meer“ spiegeln den Drang wider, Grenzen zu überschreiten und neue Horizonte zu entdecken. Die „Phantasien, in der Breite / Schwebt am Ufer hin und her!“ deuten auf die gedankliche Freiheit und die Vorstellungskraft hin, die junge Menschen dazu befähigen, sich von der gewohnten Umgebung zu lösen und in imaginären Welten zu verweilen. Dieses ständige „Schweben“ symbolisiert die innere Unruhe und die Unfähigkeit, sich festzulegen oder zu verweilen.
Die zweite Hälfte des Gedichts offenbart die Kehrseite dieser rastlosen Suche. „Neu ist immer die Erfahrung: / Immer ist dem Herzen bang,“ deutet auf die Erkenntnis hin, dass jede neue Erfahrung auch mit Ängsten und Unsicherheiten verbunden ist. Die jugendliche Unbekümmertheit weicht einer Ahnung der potenziellen Gefahren und des Verlusts. Die Zeilen „Schmerzen sind der Jugend Nahrung, / Tränen seliger Lobgesang“ beschreiben das Paradox der Jugend: Schmerz und Leid werden als notwendige Bestandteile des Lebens betrachtet, die zur Reife und zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit beitragen. Die Tränen werden zu einem „seligen Lobgesang“ verklärt, was die Akzeptanz der Schmerzen und die Fähigkeit, auch in der Trauer positive Aspekte zu sehen, widerspiegelt.
Goethes Gedicht ist ein melancholischer Lobgesang auf die Jugend. Es erfasst auf eindrucksvolle Weise die Ambivalenz jugendlicher Erfahrungen – die Freude an der Entdeckung und die Angst vor dem Unbekannten, die Sehnsucht nach Freiheit und die Verletzlichkeit, die damit einhergeht. Es ist eine Reflexion über die Notwendigkeit, Schmerz und Glück anzunehmen, um die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zu ermöglichen und die Welt mit offenen Augen zu betrachten. Das Gedicht ist ein zeitloses Zeugnis der menschlichen Natur und der Suche nach Sinn und Erfüllung.
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Lizenz und Verwendung
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