Treue (2)
Wie dem Wanderer in Träumen,
Daß er still im Schlafe weint,
Zwischen goldnen Wolkensäumen
Seine Heimat wohl erscheint:
So durch dieses Frühlings Blühen
Über Berg′ und Täler tief,
Sah ich oft dein Bild noch ziehen,
Als obs mich von hinnen rief;
Und mit wunderbaren Wellen
Wie im Traume, halbbewußt,
Gehen ewge Liederquellen
Mir verwirrend durch die Brust.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Treue (2)“ von Joseph von Eichendorff ist eine Betrachtung über die anhaltende Erinnerung und die tiefe Sehnsucht nach einer vergangenen oder idealisierten Beziehung, die durch das lyrische Ich erfahren wird. Es nutzt Naturmetaphern, um die Intensität der Gefühle und die Verwurzelung dieser Erinnerung in der Seele zu verdeutlichen. Die Struktur des Gedichts, mit seinen zwei Strophen, spiegelt die duale Natur der Erfahrung wider: die gegenwärtige Beobachtung der Natur und die gleichzeitige Wiederentdeckung des Bildes der geliebten Person.
Der erste Teil des Gedichts vergleicht das Gefühl der Erinnerung an die geliebte Person mit der Erfahrung eines Wanderers im Traum, der seine Heimat sieht und im Schlaf weint. Diese Analogie deutet auf eine tiefe emotionale Verbundenheit und eine Sehnsucht nach etwas, das unerreichbar scheint. Das Bild der „goldnen Wolkensäumen“ verstärkt die Romantik und die Verklärung der Erinnerung, während das Weinen auf eine gleichzeitige Freude und einen Schmerz hindeutet, der mit dem Verlust oder der Trennung einhergeht. Die Heimat, hier symbolisch für die geliebte Person, erscheint als ein Ideal, das im Traum lebendig bleibt.
In der zweiten Strophe wird diese emotionale Landschaft auf die natürliche Umgebung des Frühlings übertragen. Das lyrische Ich sieht das Bild der geliebten Person „über Berg‘ und Täler tief“ ziehen, wobei die Natur zur Projektionsfläche der eigenen Sehnsucht wird. Der Ausdruck „als obs mich von hinnen rief“ evoziert eine beinahe übernatürliche Verbindung, als ob die Erinnerung eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausübt und das Ich in ihren Bann zieht.
Die letzten beiden Verse bringen das Wesen der Erfahrung auf den Punkt: „Und mit wunderbaren Wellen / Wie im Traume, halbbewußt, / Gehen ewge Liederquellen / Mir verwirrend durch die Brust.“ Hier wird die Erinnerung als ein Strudel von Gefühlen dargestellt, der im Inneren des Ichs brodelt. Die „ewgen Liederquellen“ symbolisieren die beständige Natur der Liebe und der Erinnerung, die das Ich halbbewusst durchströmen und ihm sowohl Trost als auch Verwirrung bringen. Eichendorff fängt damit die flüchtige und doch tiefe Essenz der Liebe und die Kraft der Erinnerung in wunderschönen Naturmetaphern ein.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.