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Till, der Holzhacker

Von

die Reinheit in unsre Willkür aufzunehmen

Till hackte Holz auf Mord und Brand,
(Der Mond am Himmel vor ihm stand)
Husch auf, husch kräftig nieder;
Da fuhr ihm’s Beil, bei Ja und Nein,
Vom Schaft, und in den Mond hinein,
Hinein, und kam nicht wieder.

»Feirabend«, sprach Till, »alleweil!
Denn hack mir einer ohne Beil,
Koch’ einer ohne Kohlen! –
Weil Till denn ohne Beil nichts kann;
So muß er, halter, wohl daran,
Und muß es wieder holen.«

Gesagt, getan. Er geht zur Stund
Und nimmt die Leiter von der Wand,
Wirft von sich Hut und Mütze,
Und stellt die Leiter frank und frei
Vor sich hin, und – und, ein zwei drei,
Bis oben auf die Spitze.

Da saß er, sah zum Mond hinan;
»Noch«, sagt er, »bin ich nicht daran,
Doch vivat meine Leiter!«
Und drehete, so wie er saß,
Sie um, als wie ein Stundenglas,
Und stieg allmählig weiter.

So fuhr er fort: bald ruht er sich,
Dann dreht’ er wieder um und stieg,
Und stieg und drehte wieder;
Und kam, nachdem er’s OFT getan,
Im Monde wohlbehalten an,
Und setzte sich dort nieder.

Der Mond ist groß, ein wüster Ort,
Und mancher sucht vergebens dort;
Till’n sollte alles glücken.
Er ging kaum drei vier Schritte weit,
So lag das Beil da groß und breit;
Und er steckt’s in die Ficken.

Uns andern würd’s in solcher Höh
Wohl schwarz vor Augen, angst und weh;
Doch Till blieb keck und munter.
Er witterte nicht Furcht noch Fahr,
Und, wie er aufgestiegen war,
So stieg er auch herunter.

Das Ding war also abgemacht;
Indes war es nun Mitternacht,
Und ihn fings an zu grauen.
Da macht’ er ’s Beil geschwinde fest
Am Schaft, und lief damit zu Nest,
Und sagt’ es seiner Frauen.

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Gedicht: Till, der Holzhacker von Matthias Claudius

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Till, der Holzhacker“ von Matthias Claudius erzählt in einer humorvollen und leichtfüßigen Weise von der unkonventionellen Mission eines Holzhackers, der sein Beil in den Mond verliert und es zurückholen möchte. Das Gedicht beginnt mit der Darstellung von Tills gewohnter Arbeit, dem Holzhacken, wobei der Mond als stiller Zeuge fungiert. Der plötzliche Verlust des Beils, das in den Mond „hineinfährt“, markiert den Beginn einer absurden, aber gleichzeitig poetischen Reise.

Die eigentliche Geschichte beginnt, als Till beschließt, das Beil zurückzuholen. Der Einsatz einer Leiter und die akribische Art und Weise, wie er sie besteigt und wiederholt dreht, erzeugt eine komische Wirkung. Claudius nutzt hier humorvolle Elemente, um die Absurdität der Situation zu unterstreichen. Die detailreiche Beschreibung von Tills Aufstieg und sein vorsichtiges Vorgehen, kombiniert mit der wiederholten Wendung und dem verlangsamten Tempo, vermittelt den Eindruck einer geduldigen und unbeirrbaren Entschlossenheit. Trotz der scheinbar aussichtslosen Aufgabe verliert Till nie seinen Humor oder seine Entschlossenheit.

Der zweite Teil des Gedichts beschreibt die Ankunft im Mond und Tills unerschrockenes Suchen nach seinem Beil. Die Beschreibung des Mondes als „großer, wüster Ort“ kontrastiert mit Tills ruhiger Entschlossenheit. Bemerkenswert ist, dass er sein Beil tatsächlich findet und es problemlos wieder einsetzt. Dies symbolisiert Tills Fähigkeit, selbst unmögliche Aufgaben zu bewältigen und Herausforderungen mit Gelassenheit zu begegnen. Die poetische Ironie liegt darin, dass Claudius mit dieser Wendung eine Botschaft der Hoffnung vermittelt, selbst in den scheinbar trostlosesten Umgebungen.

Das Gedicht endet mit Tills Rückkehr zur Erde und seinem Bericht an seine Frau. Die Erwähnung der Mitternacht und des beginnenden Grauens fügt eine subtile Ebene der Spannung hinzu, die durch Tills rasches Handeln aufgehoben wird. Insgesamt ist „Till, der Holzhacker“ ein humorvolles Gedicht, das eine Geschichte über Beharrlichkeit, Entschlossenheit und die Fähigkeit, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, erzählt. Es ist ein Loblied auf den einfachen Mann, der sich von scheinbar unüberwindbaren Hindernissen nicht aufhalten lässt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.