Taufspruch
Als Mädchen ist das Kind geboren,
Das mit dem ersten Lied ich grüße.
Ein sanftes Los ist ihm gekoren: –
Des Weibes Los voll Weh und Süße.
Erspart sind ihr die rauhen Wege
Des Mann′s im Frieden und im Kriege,
Und in des Hauses Weihgehege
Beschlossen sind all′ ihre Siege.
Doch auch in diese Friedensräume
Bricht Kampf und Leid sich oft die Bahn,
Und auch für Irmgard′s Mädchenträume
Wird einstens das Erwachen nah′n.
Dann soll ihr Lebenslos entscheiden
Die echte Liebe voll und reich:
Die Liebe, die uns tränkt mit Leiden
Und krönt mit Seligkeit zugleich!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Taufspruch“ von Felix Dahn ist eine liebevolle Betrachtung über das Schicksal eines neugeborenen Mädchens namens Irmgard, die bei ihrer Geburt mit einem Segenswunsch bedacht wird. Der Dichter blickt auf das Leben des Kindes voraus und zeichnet ein Bild, das sowohl die Freuden als auch die Herausforderungen des Frau-Seins widerspiegelt. Die ersten beiden Strophen beschreiben die scheinbar friedliche und behütete Existenz, die Irmgard als Frau bevorsteht. Es wird angedeutet, dass sie von den rauen Wegen, die Männer im Leben beschreiten, verschont bleibt, und stattdessen in der Geborgenheit ihres Hauses ihre „Siege“ erringen wird.
In den folgenden Strophen deutet sich jedoch ein Wandel in der Betrachtungsweise an. Der Dichter räumt ein, dass auch in dieser scheinbar geschützten Welt Leid und Kampf ihren Weg finden. Er betont, dass auch Irmgards Träume nicht ewig unberührt bleiben und sie irgendwann die Realität erfahren wird. Dieser Perspektivwechsel deutet auf eine tiefere Erkenntnis über das Leben an sich hin: Es ist unweigerlich von sowohl Freude als auch Schmerz geprägt, unabhängig davon, ob man ein Mann oder eine Frau ist.
Die letzte Strophe konzentriert sich auf die Liebe als zentrales Element im Leben Irmgards. Sie wird als der entscheidende Faktor angesehen, der ihr Leben bestimmen wird. Die Liebe wird hier als eine Kraft beschrieben, die sowohl Leiden als auch Glückseligkeit birgt. Diese ambivalente Darstellung unterstreicht die Komplexität menschlicher Beziehungen und die tiefe emotionale Tiefe, die Liebe in das Leben bringt. Die Zeile „Die Liebe, die uns tränkt mit Leiden / Und krönt mit Seligkeit zugleich!“ fasst die Kernbotschaft des Gedichts zusammen und deutet auf die unzertrennliche Verbindung von Glück und Leid in der menschlichen Erfahrung hin.
Dahns Gedicht ist eine einfühlsame Reflexion über das Leben, die Rolle der Frau und die allumfassende Kraft der Liebe. Es ist ein Taufspruch, der nicht nur Segenswünsche ausspricht, sondern auch eine realistische und tiefgründige Betrachtung der menschlichen Existenz darstellt. Der Autor präsentiert ein Bild von Irmgards Zukunft, das sowohl die Schönheit der Liebe als auch die unvermeidlichen Herausforderungen des Lebens mit einbezieht. Durch seine klaren, einfachen Worte und die sensible Thematik appelliert das Gedicht an die Leser und regt sie dazu an, über die Höhen und Tiefen des Lebens nachzudenken.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.