Täuschung
Ein Licht tanzt freundlich vor mir her,
Ich folg′ ihm nach die Kreuz und Quer;
Ich folg′ ihm gern und seh′s ihm an,
Daß es verlockt den Wandersmann.
Ach! wer wie ich so elend ist,
Gibt gern sich hin der bunten List,
Die hinter Eis und Nacht und Graus
Ihm weist ein helles, warmes Haus.
Und eine liebe Seele drin. –
Nur Täuschung ist für mich Gewinn!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Täuschung“ von Wilhelm Müller ist eine melancholische Reflexion über Hoffnung und Enttäuschung, die in einer winterlichen, unwirtlichen Landschaft wurzelt. Es beschreibt die Sehnsucht des lyrischen Ichs nach einem warmen, sicheren Ort, symbolisiert durch ein freundlich tanzendes Licht. Dieses Licht zieht den Wanderer an, der trotz der Erkenntnis, dass es sich um eine Täuschung handelt, ihm folgt.
Die zentrale Metapher des Gedichts ist das Licht, das den Weg des Wanderers erhellt und ihn in die Irre führt. Es repräsentiert die Verlockung von Hoffnung, Geborgenheit und Liebe, die der Wanderer in seiner elenden Lage so dringend sucht. Die Wiederholung des „Ich folg′ ihm nach“ betont die unaufhaltsame Anziehungskraft dieser Illusion, die trotz aller Warnzeichen unwiderstehlich ist. Der Wanderer ist bereit, sich der „bunten List“ hinzugeben, dem falschen Spiel der Täuschung, weil er die Sehnsucht nach Wärme und einem Zuhause nicht unterdrücken kann.
Die Natur spielt eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Stimmung. Die Worte „Eis und Nacht und Graus“ erzeugen ein Gefühl von Kälte, Einsamkeit und Verzweiflung, das die Hoffnung des Wanderers noch deutlicher hervorhebt. In dieser unwirtlichen Umgebung scheint das Licht wie ein rettender Anker, der dem Wanderer einen Sinn in seiner Existenz gibt. Der Kontrast zwischen der trostlosen Umgebung und der vermeintlichen Wärme des „hellen, warmen Hauses“ verstärkt die tragische Ironie des Gedichts.
Die letzte Zeile „Nur Täuschung ist für mich Gewinn!“ ist der Schlüssel zum Verständnis des Gedichts. Sie offenbart die resignierte Akzeptanz des lyrischen Ichs, dass sein Leben von Illusionen geprägt ist. Obwohl er weiß, dass das Licht ihn in die Irre führt, zieht er die Täuschung der Realität vor. Dies deutet auf eine tiefe Verzweiflung und eine Unfähigkeit hin, sich von seinem Leid zu befreien. Die Hoffnung wird als einziger, wenn auch trügerischer, Gewinn wahrgenommen, was die melancholische Grundstimmung des Gedichts unterstreicht.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.