Spitzköpfig kommt er…
Spitzköpfig kommt er über die Dächer hoch
Und schleppt seine gelben Haare nach,
Der Zauberer, der still in die Himmelszimmer steigt
In vieler Gestirne gewundenem Blumenpfad.
Alle Tiere unten im Wald und Gestrüpp
Liegen mit Häuptern sauber gekämmt,
Singend den Mond-Choral. Aber die Kinder
Knien in den Bettchen in weißem Hemd.
Meiner Seele unendliche See
Ebbet langsam in sanfter Flut.
Ganz grün bin ich innen. Ich schwinde hinaus
Wie ein gläserner Luftballon.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Spitzköpfig kommt er…“ von Georg Heym entfaltet eine atmosphärisch dichte und symbolträchtige Szenerie, die von einer beunruhigenden, fast surrealen Stimmung geprägt ist. Die ersten beiden Strophen beschreiben eine Szene des Aufstiegs und der Verzauberung, in der ein „Zauberer“ über die Dächer steigt und eine transformative Kraft ausübt. Diese Figur, charakterisiert durch „spitzköpfige“ Erscheinung und „gelbe Haare“, scheint eine Verbindung zur Nacht und zum Kosmos herzustellen, indem er „in die Himmelszimmer steigt“ und einen „Blumenpfad“ der Gestirne beschreitet. Die beschriebene Bewegung des Zauberers ist langsam und beschwörend, wodurch die Aufmerksamkeit auf die Macht gelenkt wird, die er ausübt.
Die zweite Strophe erweitert das Bild um die Wirkung des Zauberers auf die irdische Welt. Während die Tiere in der Natur, im „Wald und Gestrüpp“, mit „sauber gekämmten“ Häuptern einen „Mond-Choral“ singen, verhalten sich die Kinder anders. Sie knien in ihren Betten in „weißem Hemd“, was auf Unschuld und eine mögliche Opferbereitschaft hindeutet. Die Gegenüberstellung von Natur und Zivilisation, Tier und Kind, unterstreicht die universelle Auswirkung der zauberhaften Einflüsse, die das Gedicht beschreibt. Es ist, als ob die Ankunft des Zauberers die Lebewesen in ihre jeweiligen, oft traditionellen Rollen einzwängt und dadurch eine Atmosphäre des Mystischen und vielleicht auch Bedrohlichen erzeugt.
Die dritte Strophe markiert einen Übergang von der äußeren Beobachtung zur inneren Erfahrung des lyrischen Ichs. Hier wechselt die Perspektive von der Beschreibung der äußeren Welt zur Schilderung eines subjektiven Bewusstseinszustands. Die „unendliche See“ der Seele „ebbet langsam in sanfter Flut“, was auf ein Gefühl des inneren Friedens oder der Auflösung hindeutet. Die Aussage „Ganz grün bin ich innen“ erzeugt eine synästhetische Erfahrung, die mit Natur und Wachstum assoziiert werden kann.
Der abschließende Vers „Ich schwinde hinaus / Wie ein gläserner Luftballon“ verstärkt das Gefühl des Entschwebens und der Auflösung, ein Zustand, der durch die vorherige Beschreibung vorbereitet wurde. Das Bild des Luftballons, der sich in der Luft verliert, deutet auf ein Loslösen von der materiellen Welt und eine Hinführung zu einem Zustand der Transzendenz oder des Verschwindens hin. Das Gedicht endet also mit einem Gefühl der Leere und des Übergangs, das die gesamte Atmosphäre des Werkes prägt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.