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So laßt mich scheinen…

Von

So laßt mich scheinen, bis ich werde;
Zieht mir das weiße Kleid nicht aus!
Ich eile von der schönen Erde
Hinab in jenes feste Haus.

Dort ruh ich eine kleine Stille,
Dann öffnet sich der frische Blick;
Ich lasse dann die reine Hülle,
Den Gürtel und den Kranz zurück.

Und jene himmlischen Gestalten
Sie fragen nicht nach Mann und Weib,
Und keine Kleider, keine Falten
Umgeben den verklärten Leib.

Zwar lebt ich ohne Sorg und Mühe,
Doch fühlt ich tiefen Schmerz genung.
Vor Kummer altert ich zu frühe;
Macht mich auf ewig wieder jung!

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Gedicht: So laßt mich scheinen... von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „So laßt mich scheinen…“ von Johann Wolfgang von Goethe ist eine berührende Reflexion über den Tod und die anschließende Wiedergeburt. Es ist ein Abschied von der irdischen Existenz und eine sehnsüchtige Erwartung des Übertritts in eine andere, transzendente Sphäre. Die Worte strahlen eine tiefe innere Ruhe und eine gewisse Akzeptanz des bevorstehenden Wandels aus, anstatt Angst oder Verzweiflung zu offenbaren. Die zentrale Metapher ist die des Scheins, der äußeren Erscheinung, die bis zum letzten Augenblick bewahrt werden soll, bevor die Reise in die Unbekannte beginnt.

Goethe verwendet eine klare und einfache Sprache, die die zentrale Botschaft zugänglich macht. Die Zeilen sind durchgehend reimend, was dem Gedicht einen sanften, fast melodischen Rhythmus verleiht, der die meditative Stimmung unterstreicht. Die Verwendung von Bildern wie dem „weißen Kleid“ und dem „festen Haus“ schafft eine greifbare Vorstellung von dem Übergang, der durch den Tod markiert wird. Das weiße Kleid symbolisiert Unschuld und Reinheit, während das „feste Haus“ das Grab oder eine andere Form des Übergangs in die Ewigkeit darstellt. Diese Bilder erzeugen eine Atmosphäre der Kontemplation und des Friedens.

Die zweite Strophe vertieft die Erwartung der Verwandlung. Nach einer „kleinen Stille“ öffnet sich „der frische Blick“. Dies deutet auf eine Erneuerung, eine Verjüngung des Geistes und der Seele hin. Der Verfasser ist bereit, die irdischen Besitztümer – „die reine Hülle, / Den Gürtel und den Kranz“ – zurückzulassen. Dies unterstreicht die Vergänglichkeit des Materiellen und die Konzentration auf die innere, unsterbliche Essenz. Der Wunsch nach dem Aufbruch in eine neue Existenz, frei von den Beschränkungen des Körpers, wird deutlich.

Die dritte Strophe beschreibt die neue Sphäre als frei von irdischen Unterschieden wie Geschlecht und Kleidung. Dort herrschen andere Werte. Die letzte Strophe enthüllt die Beweggründe für den Abschied. Der Verfasser erlebte zwar ein sorgloses Leben, doch auch tiefen Schmerz und frühen Alterungsprozess. Der Wunsch, durch den Tod „auf ewig wieder jung“ zu werden, offenbart eine tiefe Sehnsucht nach Erlösung und einem Neubeginn, frei von den Lasten des irdischen Lebens. Das Gedicht ist somit ein Plädoyer für die Hoffnung auf Verwandlung und ewiges Leben.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.