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Soldaten Ode

Von

Ihr Brüder! Ihr Brüder!
Seyd lustig mit mir!
Werft Bücher, Papir
Darnieder, Darnieder;
Ich suche stat der Dinte
Blut, Degen, Helm und Flinte,
Räum das Herz dem Mavor ein,
So kan ich vergnüget seyn.

Mars schenket, Mars schenket
Vergnügen und Lust,
Die Seele und Brust
Gedenket, gedenket:
Ich will mit Martis Waffen
Mir reiche Beute schaffen:
Da mein Herze in der Stadt
Wenig sonst zu hoffen hat.

Sechs Batzen, sechs Batzen
Giebt dieser ohn Streit,
Der auf dem Roß reit’t.
Drum schwatzen, drum schwatzen
Die Lippen: Ich will reiten
Ohn Geld, bey Krieges-Leuten.
Ey! was frag ich nach dem Pferd,
Bin ich doch des Esels werth.

Soldaten, Soldaten
Sind munter und froh,
Auf Betten und Stroh.
Sie rathen, sie rathen,
Wie sie in andern Städtgen
Auch wieder andre Mädgen,
Sich zum Zeitvertreib ersehn,
Und zu ihnen spiele gehn.

Bey Pfeifen, bey Pfeifen
Kriegt mancher am Tag
Stoß, Ruthen und Schlag,
Sie greifen, sie greifen
Die Trummeln mit viel Freuden.
Es weichet Gram und Leiden,
Giebt nur stets der Officier
Den Soldaten Geld zu Bier.

Mit siegen, mit siegen,
Wird alles vollbracht.
Wer dieses betracht,
Muß springen, muß springen:
Denn der Soldaten Wesen
Hat Lustbarkeit erlesen;
An dem Morgen, bey der Ruh
Gehet alles lustig zu.

Wenns heiset, wenns heiset:
Auf! ziehet ins Feld!
Erbeutet euch Geld!
Da preiset, da preiset
Der Mund die frohen Stunden,
Die sich darzu gefunden,
Da nunmehr das Glücke blüht,
Weil man seinen Feind bezieht.

Marschieret, marschieret,
Und kämpfet mit Fleiß:
So folget der Preiß.
Vollführet, vollführet
Was Mavor angefangen,
So wird man siegend prangen:
Und man trägt die Ehren-Kron,
Zu der Feinde Schmach davon.

Wir bleiben, wir bleiben
Bey Pulver und Bley
Dem Mavor getreu,
Und schreiben, und schreiben
Uns unter seine Fahne,
Zu unsrer Ehren-Bahne,
In das Buch der Seinen ein.
Auf! und laßt uns lustig seyn!

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Gedicht: Soldaten Ode von Sidonia Hedwig Zäunemann

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Soldaten Ode“ von Sidonia Hedwig Zäunemann verherrlicht das Soldatenleben in einer auffallend lebendigen und ironisch zugespitzten Weise. Die Sprecherin wendet sich direkt an ihre „Brüder“ – wohl Gleichgesinnte oder potenzielle Mitstreiter – und ruft zu einer enthusiastischen Abkehr vom bürgerlich-geistigen Leben („Bücher, Papir“) hin zur kriegerischen Existenz unter dem Schutz des Kriegsgottes Mars (Mavors).

Dabei nutzt Zäunemann eine wiederholende, fast liedhafte Struktur mit Ausrufen wie „Ihr Brüder!“ oder „Marschieret!“ und vermittelt so den Rhythmus eines Marschlieds. Der Ton ist voller Schwung und Selbstironie: Anstatt auf Reichtum oder bürgerliche Anerkennung zu hoffen, sucht die Sprecherin Abenteuer, körperliche Erprobung und unmittelbares Erleben – selbst unter widrigen Bedingungen wie Strohlagern oder Strafen („Stoß, Ruthen und Schlag“).

Die Darstellung des Soldatenlebens changiert zwischen Verklärung und bewusster Übertreibung: Die Rede von Lust, Freude, Mädchen und Bier wirkt wie eine grobe Karikatur männlicher Kriegsbegeisterung. Gleichzeitig zeigt sich eine gewisse Resignation gegenüber den begrenzten Möglichkeiten des städtischen Lebens („Da mein Herze in der Stadt / Wenig sonst zu hoffen hat“). In diesem Sinne ist das Gedicht nicht nur Spott, sondern auch Ausdruck eines Ausbruchsbedürfnisses und der Suche nach Bedeutung.

Zäunemann lässt die Grenzen zwischen Ironie und Ernst fließend: Einerseits werden Tapferkeit, Sieg und Ehre gepriesen, andererseits klingt in der Zeile „Ey! was frag ich nach dem Pferd, / Bin ich doch des Esels werth“ ein selbstkritischer, vielleicht sogar sozialkritischer Unterton an. Die Figur im Gedicht nimmt ihre Rolle im Krieg mit übertriebener Freude an – aber genau durch diese Überzeichnung entlarvt sich das Pathos auch als hohl.

Insgesamt ist „Soldaten Ode“ ein vielschichtiges Gedicht, das sowohl das Kriegerideal feiert als auch dessen Schattenseiten humorvoll reflektiert. Zäunemann gelingt es, mit einfacher, volksnaher Sprache ein bewegtes Bild vom soldatischen Leben zu zeichnen, das sowohl von der Lust am Abenteuer als auch von einem tief empfundenen Mangel an Alternativen geprägt ist. Möchtest du auch eine Einordnung in Zäunemanns Gesamtwerk oder in ihre Zeit?

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.