Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Sehnende Erwartung

Von

Es lärmt der Markt – Geräusch erfüllt die Strassen,
Die Glocke klingt, die Thür geht auf und zu,
Und fremde Stimmen, fremde Schritte schallen
Dem lauschenden, getäuschten Ohr entgegen,
Das jedem Selbstbetruge freudig glaubt.

Doch ach umsonst! es regt sich frohes Leben,
Und Thätigkeit im tosenden Gedränge
Der lauten Stadt, die – wie ein wogend Meer
Den isolirten Felsen rings umspühlt –
Mich Einsame umgiebt. – Ach Deine Stimme
Vernehm′ ich nicht – harmonisch würde dann
Das wild verworrene Geräusch mich grüssen,
Das jetzt betäubend mir die Brust beklemmt.
Zerstreuung möcht′ ich im Gewühle suchen,
Doch mitten unter Menschen fühl′ ich mich allein
Mit Deinem Bilde, das in meiner Seele
Mild wie der Mond in ew′ger Klarheit strahlet.
Ja, immer stehst Du vor mir, rein und liebend,
Für mich der Inbegriff des höchsten Glücks.
Aus Deinem Lächeln nehm′ ich meine Freude,
Aus Deinem Ernste saug′ ich meinen Schmerz,
Begeistrung weht Dein Athem mir entgegen
Und neuen Muth erweckt in mir Dein Blick.

O weile nicht – der Trennung finstre Wolken

Umziehen bald den Horizont des Lebens
Und weite Ferne drängt sich zwischen uns.
So gönne mir die letzten, goldnen Strahlen,
Die meine dunkle Bahn mir noch erhellen.
Denn schnell entflieht die Zeit – auf ihren Schwingen
Nimmt sie die Blüthen unsers Daseyns mit,
Und nur die Reue bleibt, die um versäumte Stunden
Den Trauerflor vergebner Wehmuth breitet.
O lass ihr keinen Augenblick verhüllen,
Den wir dem Schicksal abgewinnen dürfen,
Und eile sehnend, wie ich Dich erwarte,
Dem Herzen zu, das Dir entgegen schlägt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Sehnende Erwartung von Charlotte von Ahlefeld

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sehnende Erwartung“ von Charlotte von Ahlefeld ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Gefühlen der Sehnsucht, Einsamkeit und der unbedingten Liebe. Es zeichnet das Bild einer Frau, die inmitten des betriebsamen Treibens der Stadt auf die Rückkehr ihres Geliebten wartet und dabei von den Erinnerungen an ihn und der Hoffnung auf ein Wiedersehen getragen wird.

Der erste Teil des Gedichts schildert die Umgebung der wartenden Frau. Der Lärm des Marktes und das Kommen und Gehen der Menschen werden beschrieben, doch für sie sind diese Geräusche nur ein „getäuscht[es] Ohr“, das vergeblich nach der Stimme des Geliebten lauscht. Die Stadt wird als „wogendes Meer“ dargestellt, das sie als „isolierter Felsen“ umgibt, was ihre Einsamkeit und Isolation im Angesicht der Menge betont. Das Gedicht verdeutlicht, wie die Abwesenheit der geliebten Person die ehemals erfreulichen Dinge in ein leidvolles Gefühl verwandeln.

Im zweiten Teil des Gedichts wendet sich die Frau ihrem geliebten Mann zu. Trotz der Einsamkeit in der Menge ist sie nicht allein, da das „Bild“ des Geliebten in ihrer Seele „mild wie der Mond in ew’ger Klarheit strahlet.“ Sie sieht ihn als ihren Inbegriff des Glücks und bezieht sowohl ihre Freude als auch ihren Schmerz von ihm. Die Zeilen vermitteln die tiefe Verbundenheit und die gegenseitige Abhängigkeit der Liebenden. Diese innige Verbindung wird durch die Vorstellung einer bevorstehenden Trennung noch verstärkt.

Der letzte Teil des Gedichts ist ein eindringlicher Appell an den Geliebten, die Zeit der Trennung nicht zu verlängern. Die „finstren Wolken“ der Trennung und die „weite Ferne“ werden als Bedrohung dargestellt, die die „letzten, goldnen Strahlen“ der gemeinsamen Zeit verdunkeln könnten. Die Frau drängt zur Eile, da die Zeit schnell vergeht und nur die „Reue um versäumte Stunden“ bleibt. Sie sehnt sich nach dem Wiedersehen und bittet ihren Geliebten, ebenso sehnsüchtig zu eilen, damit sie sich endlich wieder in die Arme schließen können. Das Gedicht ist ein Ausdruck der Hoffnung auf ein Wiedersehen und ein Plädoyer für die Wertschätzung der gemeinsamen Zeit.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.