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Schwanenlied

Von

Im Mondschein zu singen

Steigst du aus der Berge Kluft
Still und hehr empor,
Hüllest Thal und Hain und Luft
Leis′ in Silberflor?

Zeigst mit sanftgebroch′nem Licht
Was dem Blick entschwand,
Hüllst in stilles Dämmerlicht,
Was das Herz empfand?

Ach dein Silberflor verhüllt
Den bethränten Blick,
Und ein mild′res Lebensbild
Strahlt aus ihm zurück.

Was mit rauh-verworr′nem Ton
Mir das Herz zerriß,
Hüllt die duft′ge Fernung schon
Tief in Finsterniß.

Leiser faßt die rauhe Hand
Meines Weh′s mich an.
Und der hehren Hoffnung Land
Glänzt am Ziel der Bahn.

Ward ich d′rum so sehr betrübt,
Weil ich Treu′ geglaubt?
Armes Herz, hast ausgeliebt,
Bist du des Schmucks beraubt!

Fall′, o Blüthenregen hin,
In der Wehmuth Schooß;
Frühlingslust und Flattersinn,
Glücklich Lebensloos

Diese Blüthe sank herab,
Meine Thrän′ hinein –
Treue blüht doch bis ins Grab,
Hellt den Abendschein!

Kaum in Mitte deiner Bahn,
Stehst du schon allein.
Muthig! kühn den Fels hinan,
Dort wird′s besser seyn!

Ach vom Felsen blick′ ich weit
In die Öd′ hinein!
Künft′ge und vergang′ne Zeit
Trägt das Herz herein!

Hülle mich in deine Nacht,
Silberdämm′rung, ein!
Ach des Schmerzens ganze Macht
Dringet auf mich ein.

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Gedicht: Schwanenlied von Friederike Sophie Christiane Brun

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Schwanenlied“ von Friederike Sophie Christiane Brun ist eine tiefgründige Reflexion über Schmerz, Verlust und die Suche nach Trost in der Natur, insbesondere im Mondlicht. Das lyrische Ich wendet sich an den Mond, der aus der „Berge Kluft“ emporsteigt und die Welt in silbernes Licht taucht. Der Mond wird zur Projektionsfläche für die eigenen Emotionen, ein Spiegel der Seele, der sowohl Trost spendet als auch die Intensität des Leids verstärkt.

Die ersten Strophen beschreiben die Wirkung des Mondes auf die Natur und das menschliche Empfinden. Das sanfte Licht des Mondes enthüllt einerseits das, was dem Blick verborgen bleibt, und hüllt andererseits das, was das Herz empfindet, in ein stilles Dämmerlicht. Diese Doppelwirkung deutet auf die Ambivalenz des Trostes hin: Der Mond kann sowohl die Wunden sichtbar machen als auch sie sanft bedecken. Die Metapher des „Silberflors“, der den „bethränten Blick“ verhüllt, suggeriert die Möglichkeit der Heilung und der Entdeckung eines „mild′ren Lebensbilds“.

Im weiteren Verlauf des Gedichts werden die konkreten Ursachen des Schmerzes angedeutet, die durch „rauh-verworr′nem Ton“ das Herz zerreißen. Die Hoffnung, die durch den Mond symbolisiert wird, scheint jedoch zu schwinden, da die „duft′ge Fernung“ das Leid in Finsternis hüllt. Das lyrische Ich fragt sich, ob es aufgrund seines Glaubens an die Treue so sehr betrübt ist und beklagt den Verlust seiner „Blüthenregen“ und die Enttäuschung über die verlorene „Frühlingslust“.

Die abschließenden Strophen drücken die Verzweiflung und das Gefühl der Isolation aus. Das lyrische Ich sieht sich am „Fels“ allein und blickt in die „Öd′ hinein“. Die Erinnerung an die „künft′ge und vergang′ne Zeit“ lastet schwer auf dem Herzen. Der Wunsch, sich in die „Nacht“ und die „Silberdämm′rung“ des Mondes zu hüllen, ist ein Ausdruck der Sehnsucht nach Geborgenheit und der Akzeptanz des Schmerzes. Das Gedicht endet mit dem Eingeständnis der „ganze[n] Macht“ des Schmerzes, der eindringt und das lyrische Ich überwältigt. Das Schwanenlied wird so zu einer ergreifenden Auseinandersetzung mit den tiefsten menschlichen Emotionen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.