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Schlimme Wahl

Von

Du sahst die Fei ihr goldnes Haar sich strählen,
Wenn morgens früh noch alle Wälder schweigen,
Gar viele da im Felsgrund sich versteigen,
Und weiß doch keiner, wen sie wird erwählen.

Von einer andern Dam′ hört ich erzählen
Im platten Land, die Bauern rings dir zeigen
Ihr Schloß, Park, Weiler – alles ist dein eigen,
Freist du das Weib – wer möcht im Wald sich quälen !

Sie werden dich auf einen Phaeton heben,
Das Hochzeitscarmen tönt, es blinkt die Flasche,
Weitrauschend hinterdrein viel vornehm Wesen.

Doch streift beim Zug dich aus dem Walde eben
Der Feie Blick, und brennt dich nicht zu Asche:
Fahr wohl, bist nimmer ein Poet gewesen!

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Gedicht: Schlimme Wahl von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Schlimme Wahl“ von Joseph von Eichendorff entwirft ein Szenario existentieller Entscheidung, das die Zerrissenheit des lyrischen Ichs zwischen zwei gegensätzlichen Lebensentwürfen thematisiert: der Welt der Kunst und der Welt des bürgerlichen Glücks. Die „Fei“, ein Fabelwesen, verkörpert dabei die Inspiration und die Freiheit des Künstlertums, während die „andere Dam’“ für Sicherheit, Besitz und konventionelle Lebensformen steht. Die Wahl zwischen diesen Polen ist für das Ich von entscheidender Bedeutung und bedingt letztlich sein Schicksal.

Der erste Teil des Gedichts beschreibt die Anziehungskraft der „Fei“. Das Bild des goldhaarigen Wesens, das sich im Morgengrauen, inmitten der Stille des Waldes, zeigt, evoziert eine Atmosphäre der Geheimnis- und Sehnsucht. Die „Fei“ ist hier die Muse, die den Dichter anzieht und inspiriert. Die Beschreibung des „Felsgrunds“, in den sich „gar viele“ begeben, deutet auf die Gefahr und die Herausforderung hin, die mit der Hingabe an die Kunst einhergehen. Allerdings ist unklar, wen die „Fei“ erwählt, was die Ungewissheit und die Unberechenbarkeit dieser Welt verdeutlicht.

Der zweite Teil präsentiert die Alternative: das „platte Land“, das materielle Wohlstand und die gesellschaftliche Anerkennung, verkörpert durch die „andere Dam’“. Die Beschreibung von Schloss, Park und Weiler als „dein eigen“ steht im krassen Gegensatz zur Ungewissheit der Künstlerwelt. Die „Fläsch“ und das „vornehm Wesen“ stehen für die Freuden eines konventionellen Lebens. Die rhetorische Frage „wer möcht im Wald sich quälen!“ deutet auf die Versuchung hin, den einfacheren, angenehmeren Weg zu wählen.

Die letzte Strophe verdeutlicht die Tragweite der Entscheidung. Der Hinweis auf den „Phaeton“ und das „Hochzeitscarmin“ symbolisieren den Übergang in das bürgerliche Leben. Entscheidend ist jedoch der „Feie Blick“, der den Dichter aus dem Wald heraus beim Festzug überblickt. Wenn dieser Blick des Fabelwesens den Dichter nicht „zu Asche“ verbrennt, bedeutet dies den Verlust der künstlerischen Inspiration und die Absage an das Künstlertum. Die abschließenden Worte „Fahr wohl, bist nimmer ein Poet gewesen!“ sind ein erschütterndes Fazit und unterstreichen die existenzielle Tragweite der Wahl. Das Gedicht ist damit eine Mahnung an die Wichtigkeit, seiner Berufung treu zu bleiben und sich nicht von den Verlockungen des vermeintlich einfacheren Lebensweges ablenken zu lassen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.