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Seegesicht

Von

Die Küste ruht.
Weites Tritonengetut
Silberne Wunden der Flut
Tobende Augen der Wut.

Krähende Pausbacks auf steigenden Rossen,
Plätschernder Spielen purpurne Flossen,
Neckisch Bedräuen mit Zacken und Spießen,
Kräftig anfassendes Leiberumschließen.

Und sieh, eine Muschel fleischgelb und zart
Von Amorinen flüsternd bewahrt.
Hingegossen ruhende Linien,
Grüßender rauschender Palmen und Pinien.
Angeblühte rosige Brüste.
Lächelnde sonnengestreifte Küste.

Fürder kein Dräuen mit Zacken und Spießen
Müdhinlallendes Leiberumschließen.
Nickende Pausbacks auf schlürfenden Rossen. –
Grünhinflüsternde, finstere Flossen.

Erloschene Wunden der Flut,
Fernes Tritonengetut
Stierende Augen der Wut.
Die Küste ruht.

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Gedicht: Seegesicht von Peter Hille

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Seegesicht“ von Peter Hille entfaltet in kraftvollen, maritimen Bildern eine Szenerie, die zwischen wilder Naturgewalt und sanfter Sinnlichkeit schwankt. Die „Küste“ als Ausgangspunkt wird zunächst als ruhiger, stiller Ort eingeführt, doch schnell bricht mit dem „Tritonengetut“ und den „Wunden der Flut“ ein tobendes, aufgewühltes Meer herein. Die „Augen der Wut“ verdeutlichen die bedrohliche, ungestüme Kraft des Wassers, die das Bild der Ruhe abrupt stört.

In der Mitte des Gedichts wird die Szene jedoch sinnlicher und fast spielerisch. Die Meereswesen, beschrieben mit „purpurnen Flossen“ und „neckischem Bedräuen“, wirken wie eine lebendige, phantastische Welt aus der Tiefe. Hier paart sich das Wilde des Meeres mit einer fast erotischen Atmosphäre: das „Leiberumschließen“, die „Muschel fleischgelb und zart“, die „rosigen Brüste“ – diese Bilder lassen die Muschel wie eine Venusmuschel erscheinen, in der das Weibliche und Sinnliche bewahrt wird. Auch Palmen und Pinien sowie das „lächelnde“ Küstenbild verstärken diesen Wechsel zu einer friedlicheren, fast mediterranen Szenerie.

Der Schluss kehrt jedoch wieder zur ursprünglichen Wildheit und Dunkelheit zurück: Die Meereswelt wird finster, die „Flossen“ flüstern grün und düster, die „Augen der Wut“ stieren. Das „Tritonengetut“ erklingt nur noch fern, und die „Wunden der Flut“ wirken erloschen, doch die latente Bedrohung bleibt spürbar. Die Küste ruht zwar wieder, doch das Wissen um das Toben und die Tiefe der See bleibt erhalten. Hilles Gedicht spielt mit dem Wechsel von Gewalt und Ruhe, von Sinnlichkeit und Bedrohung und schafft so ein vielschichtiges Bild einer Natur, die gleichzeitig verlockend und gefährlich ist.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.