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Kneipe

Von

Zu Düsseldorf am Rheine,
Da musiziert ein Haus,
Wie wirft es seine Scheine
So spät und ganz alleine
Hin über weiche Fluten
Und in die Nacht hinaus.

Und in dem alten Hause
Ein Trio findest du,
Trepphoch die Bauernklause:
Das Auge bohrt das grause –
Das ist allein das Eine –
Die Geig‘ geht immerzu.

Ein jammerstumm Gequäle,
Von allen Lastern krank
Hintastend Blickgeschwehle
Ein Ächzen in der Seele –
Gesund nur ist die Fiedel,
Und Hölle schlürft den Trank.

Ein Barde da der zweite,
Die Feder am Barett,
Tritt hin zu seiner Seite,
Sein Wams spannt in die Weite:
Ein deutscher Strom sein Singen,
Ein Strom nur etwas fett.

Sonst recht ein Minnesänger
Aus bunter Ritterzeit,
So recht ein Herzbedränger,
Ein Güldendankempfänger
In blauen Lockenprächten –
So frank, so frei, so weit.

Des Sinnes frohe Freite
Das blaue Auge warm,
Und ist ein Hochgeschreite,
Viel kühne Nackenbreite,
Die Glieder Mannesblüte,
Leicht, gut und ohne Harm.

Und neben Mährens Sohne
Am kleinen Tisch zu dritt,
Der trägt die Bürgerkrone,
Von Leichtsinn keine Bohne,
Der pustet Klarinette,
Trinkt dann gemessen mit.

Schwarz Buckel mit Manschetten
Setzt zu den Gästen sich,
Goldköpfig hochadretten,
In Themis Wagenwetten,
Als Advokat verschlagen,
Hochausbesitzerlich.

Agrarierzähren flossen
Als wie ein goldner Bach,
Noch eilig hingegossen,
Um zweie wird geschlossen,
Die Kellner gehn und räumen
Man fährt aus jähen Träumen –

Jach empor.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Kneipe von Peter Hille

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Kneipe“ von Peter Hille entwirft ein vielschichtiges und atmosphärisch dichtes Bild einer nächtlichen Szene in Düsseldorf, in der sich verschiedene gesellschaftliche Figuren in einer ländlich anmutenden Gastwirtschaft begegnen. Die Kneipe wirkt dabei fast wie eine Insel in der Nacht, „musiziert“ und wirft ihr Licht „über weiche Fluten / Und in die Nacht hinaus“ – ein Bild von Einsamkeit, aber auch von innerer Lebendigkeit im Kontrast zur dunklen Außenwelt.

Im Inneren des „alten Hauses“ herrscht eine melancholische und getriebene Stimmung. Das „Trio“ – bestehend aus Geige, Klarinette und Gesang – steht im Mittelpunkt und erzeugt mit der „Geig‘, die immerzu“ spielt, ein „jammerstumm Gequäle“, das die Seelenlage der Anwesenden widerspiegelt. Die Musik scheint das einzig „Gesunde“ in einer Umgebung, die von Trübsal und Laster durchdrungen ist, während das „Hölle schlürft den Trank“ eine düstere, fast dämonische Atmosphäre heraufbeschwört.

Im Verlauf des Gedichts werden die verschiedenen Figuren charakterisiert: Ein Barde, der an einen mittelalterlichen Minnesänger erinnert, mit „Feder am Barett“ und „blauen Lockenprächten“, bringt ein Element des romantischen Künstlertypus ins Spiel – doch auch sein „Singen“ wird als „etwas fett“ beschrieben, was eine ironische Brechung andeutet. Daneben steht ein eher nüchterner Typus – der „Mährens Sohn“ – ein bodenständiger, bürgerlicher Musiker, der diszipliniert „Klarinette“ spielt und „gemessen“ trinkt.

Schließlich tritt noch ein „Advokat“ hinzu, der mit „schwarz Buckel mit Manschetten“ und „hochausbesitzerlich“ beschrieben wird und die Szenerie um einen Vertreter der oberen Schichten oder des Bürgertums ergänzt. Das Gedicht zeigt damit ein soziales Nebeneinander von Künstlern, einfachen Bürgern und Vertretern der Macht und des Kapitals – alle vereint in der nächtlichen Zuflucht der Kneipe. Mit dem „jach empor“ am Ende kehrt die Szenerie abrupt aus der nächtlichen Träumerei zurück in die Realität. „Kneipe“ ist damit eine Momentaufnahme voller sozialer Gegensätze und melancholischer Grundstimmung, getragen von der Musik und der Dunkelheit der Nacht.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.