Pause
Meine Laute hab ich gehängt an die Wand,
Hab sie umschlungen mit einem grünen Band –
Ich kann nicht mehr singen, mein Herz ist zu voll,
Weiß nicht, wie ich′s in Reime zwingen soll.
Meiner Sehnsucht allerheißesten Schmerz
Durft ich aushauchen in Liederscherz,
Und wie ich klagte so süß und fein,
Glaubt ich doch, mein Leiden wär nicht klein.
Ei, wie groß ist wohl meines Glückes Last,
Daß kein Klang auf Erden es in sich faßt?
Nun, liebe Laute, ruh an dem Nagel hier!
Und weht ein Lüftchen über die Saiten dir,
Und streift eine Biene mit ihren Flügeln dich,
Da wird mir so bange, und es durchschauert mich.
Warum ließ ich das Band auch hängen so lang?
Oft fliegt′s um die Saiten mit seufzendem Klang.
Ist es der Nachklang meiner Liebespein?
Soll es das Vorspiel neuer Lieder sein?
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Pause“ von Wilhelm Müller ist eine Reflexion über die Unfähigkeit des lyrischen Ichs, seine Gefühle in Worte zu fassen. Das Gedicht beginnt mit der symbolischen Handlung des Aufhängens der Laute, dem Instrument der Poesie, an die Wand, umschlungen von einem grünen Band. Dies deutet auf eine Phase der Ruhe und des Rückzugs hin, in der das lyrische Ich nicht länger in der Lage ist, zu singen oder zu dichten, da sein Herz „zu voll“ ist. Die überbordende Fülle an Emotionen, die im ersten Teil des Gedichts angedeutet werden, sind zu überwältigend, um sie in die Form von Reimen zu zwingen.
Der erste Teil des Gedichts offenbart die frühere Fähigkeit des lyrischen Ichs, seine Sehnsucht und seinen Schmerz in Liedern auszudrücken. Es wird die Erleichterung und der Trost betont, die das lyrische Ich in der Fähigkeit fand, seine Gefühle auszudrücken, auch wenn es glaubte, dass sein Leiden groß war. Doch nun ist eine neue, noch größere emotionale Erfahrung eingetreten, die jedes Verständnis übersteigt. Die Frage „Ei, wie groß ist wohl meines Glückes Last, / Daß kein Klang auf Erden es in sich faßt?“ verdeutlicht die Diskrepanz zwischen der Erfahrung des lyrischen Ichs und der Begrenztheit der Sprache.
Im zweiten Teil des Gedichts wird die Stimmung des lyrischen Ichs subtiler. Es betrachtet die Laute, die nun untätig an der Wand hängt, und reflektiert über die Möglichkeit, dass sie von äußeren Einflüssen wie dem Wind oder einer Biene zum Klingen gebracht wird. Diese Momente der Stille und Unberührtheit erzeugen beim lyrischen Ich ein Gefühl der Angst und Beklommenheit. Das grüne Band, das die Laute umschlingt, scheint zum Sinnbild einer Vergangenheit zu werden, in der die Laute für das lyrische Ich die Möglichkeit bot, seine Liebe und sein Leid auszudrücken.
Das Gedicht endet mit einer doppelten Frage: Ist der Klang des Bandes, das um die Laute weht, der Nachhall vergangener Liebespein, oder ist es ein Vorbote neuer Lieder? Diese offene Frage spiegelt die innere Zerrissenheit des lyrischen Ichs wider, das sich zwischen dem Wunsch nach Ruhe und der Sehnsucht nach neuer Kreativität befindet. Das Gedicht verdeutlicht, dass die Fähigkeit, über Gefühle zu sprechen, für das lyrische Ich nicht selbstverständlich ist. Es ist ein Zustand, der von einer komplexen Balance zwischen Gefühl, Ausdruck und der Unmöglichkeit, Emotionen in Sprache zu fassen, gekennzeichnet ist.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.