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Oh wunderbares, tiefes Schweigen…

Von

Oh wunderbares, tiefes Schweigen,
wie einsam ist`s doch auf der Welt!
Die Wälder nur sich leise neigen,
als ging der Herr durchs stille Feld.
Ich fühl mich recht wie neu erschaffen.
Wo ist die Sorge, wo die Not?
Was mich noch gestern wollt erschlaffen-
ich schäm mich des im Morgenrot.
Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
will ich,ein Pilger, frohbereit
betreten nur wie eine Brücke
zu Dir, Herr, übern Strom der Zeit.

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Gedicht: Oh wunderbares, tiefes Schweigen... von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Oh wunderbares, tiefes Schweigen…“ von Joseph von Eichendorff ist ein Ausdruck tiefer spiritueller Erfahrung und der daraus resultierenden Wandlung des lyrischen Ichs. Es beginnt mit der Beschreibung einer überwältigenden Stille, die als „wunderbar“ und „tief“ charakterisiert wird, und etabliert damit eine Atmosphäre der Kontemplation und des Rückzugs aus dem weltlichen Getriebe. Die Einsamkeit wird nicht als negativ empfunden, sondern als ein Zustand, der die Wahrnehmung des Göttlichen ermöglicht. Die sanften Bewegungen der Wälder, die sich „leise neigen“, deuten auf eine Ehrfurcht vor dem unsichtbaren, göttlichen Wesen hin, das durch die Stille anwesend zu sein scheint.

Die erste Strophe etabliert die Atmosphäre, die zweite Strophe vertieft die innere Erfahrung des lyrischen Ichs. Das Gefühl der Erneuerung („Ich fühl mich recht wie neu erschaffen“) und die Befreiung von Sorgen und Not sind direkte Folgen der Stille und der Wahrnehmung des Göttlichen. Die Sorgen, die das Ich zuvor „erschlaffen“ ließen, werden nun im Licht des Morgens, also der neuen Erfahrung, als beschämend empfunden. Dies deutet auf eine Läuterung und die Überwindung weltlicher Nöte durch die spirituelle Erfahrung hin. Der Wechsel von „Ich“ zu „ich“ verstärkt die Intimität des Erlebnisses und die Selbstreflexion.

Die dritte Strophe gipfelt in einem Bekenntnis des Glaubens und der Ausrichtung auf das Transzendente. Die Welt mit all ihrem „Gram und Glücke“ wird aus der Perspektive des Pilgers betrachtet, der bereit ist, sie zu durchschreiten. Die Metapher der „Brücke“ über den „Strom der Zeit“ veranschaulicht die Vergänglichkeit des irdischen Lebens und die Ausrichtung auf das Ewige. Die Welt ist nicht mehr das Ziel, sondern lediglich ein Mittel, um zum Herrn, also zum Göttlichen, zu gelangen.

Insgesamt ist das Gedicht eine Ode an die Stille und die spirituelle Erneuerung. Es zeigt, wie das Eintauchen in die Stille und die Wahrnehmung des Göttlichen zu einer Überwindung weltlicher Sorgen und zur Ausrichtung auf das Transzendente führen kann. Eichendorffs Poesie zeichnet sich hier durch eine einfache, klare Sprache und eine tiefe emotionale Resonanz aus, die den Leser einlädt, die innere Erfahrung des lyrischen Ichs nachzuvollziehen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.