Nachtzauber
Hörst du nicht die Quellen gehen
Zwischen Stein und Blumen weit
Nach den stillen Waldesseen,
Wo die Marmorbilder stehen
In der schönen Einsamkeit?
Von den Bergen sacht hernieder,
Weckend die uralten Lieder,
Steigt die wunderbare Nacht,
Und die Gründe glänzen wieder,
Wie dus oft im Traum gedacht.
Kennst die Blume du, entsprossen
In dem mondbeglänzten Grund?
Aus der Knospe, halb erschlossen,
Junge Glieder blühend sprossen,
Weiße Arme, roter Mund,
Und die Nachtigallen schlagen,
Und rings hebt es an zu klagen,
Ach, vor Liebe todeswund,
Von versunknen schönen Tagen –
Komm, o komm zum stillen Grund!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Nachtzauber“ von Joseph von Eichendorff entführt den Leser in eine traumhafte, romantische Nachtlandschaft. Das Gedicht beschreibt eine Szenerie, die von Ruhe, Schönheit und Geheimnis geprägt ist. Die sanften Geräusche der Natur, wie das Rauschen der Quellen und das Singen der Nachtigallen, verschmelzen mit der Erhabenheit der stillen Waldesseen und der geheimnisvollen Marmorbilder, um eine Atmosphäre der Sehnsucht und des Verlangens zu erzeugen.
Die zweite Strophe verstärkt diese Atmosphäre durch die Anspielung auf eine geheimnisvolle Blume, die im Mondlicht erblüht. Die Beschreibung der Blume als weibliche Gestalt – „weiße Arme, roter Mund“ – evoziert Bilder von Schönheit und Jugend, die von der Liebe und dem Tod durchdrungen sind. Die „Nachtigallen [schlagen] / Und rings hebt es an zu klagen, / Ach, vor Liebe todeswund“ deutet auf eine tiefe, ungestillte Sehnsucht und das tragische Potential der Liebe hin. Dies verleiht dem Gedicht eine melancholische Note, die die Romantik noch verstärkt.
Die Struktur des Gedichts ist geprägt von einem Wechselspiel zwischen Ruhe und Bewegung, Nähe und Ferne. Die Erwähnung der „uralten Lieder“ und „versunknen schönen Tagen“ deutet auf eine tiefe Verbundenheit mit der Vergangenheit und den vergangenen Zeiten der Schönheit und Liebe hin. Der Wechsel von dem äußeren Bild der Natur zur inneren Erfahrung der Liebe und Sehnsucht verleiht dem Gedicht eine besondere Tiefe und macht es zu einem Aufruf an den Leser, sich der Schönheit und dem Geheimnis der Nacht hinzugeben.
Die Verwendung von romantischen Bildern und Metaphern, wie „Marmorbilder“ und „mondbeglänzten Grund“, trägt dazu bei, eine traumhafte und geheimnisvolle Stimmung zu erzeugen. Der letzte Vers „Komm, o komm zum stillen Grund!“ ist ein direkter Aufruf an den Leser, sich von der Schönheit und der Sehnsucht der Nacht verzaubern zu lassen. Das Gedicht lädt den Leser ein, in diese Welt einzutauchen, die Schönheit, Liebe und Melancholie miteinander verbindet.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.