Vorwärts lieber laß uns schreiten
Durch die deutschen Nebelschichten,
Als auf alten Träumen reiten
Und auf römischen Berichten!
Denn mir ist, als säh ich endlich
Unter uns ein Bild entfalten;
Dunkel erst, doch bald verständlich
Sich erheben die Gestalten;
Hauf an Haufen im Getümmel,
Nun zerrissen, nun zusammen;
An dem grauverhangnen Himmel
Zuckt es wie von tausend Flammen.
Hört ihr, wie die Büchsen knallen?
Wutgeschrei durchfegt die Lüfte;
Und die weißen Nebel wallen,
Und die Brüder stehn und fallen –
Hoher Tag und tiefe Grüfte!
Nach Reisegesprächen
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Nach Reisegesprächen“ von Theodor Storm scheint eine Auseinandersetzung mit der deutschen Identität und der historischen Entwicklung darzustellen. Es ist ein Aufruf zum Fortschritt und zur Abkehr von der Vergangenheit, der durch eine eindringliche, fast martialische Bildsprache untermauert wird. Der Dichter ermutigt, sich vorwärts zu bewegen, durch die „deutschen Nebelschichten“, anstatt in alten „Träumen“ und „römischen Berichten“ zu verweilen. Diese Zeilen deuten auf eine Kritik an der Verhaftung in der Vergangenheit und eine Hinwendung zur Gegenwart und Zukunft hin.
Die zweite Strophe beschreibt eine sich entfaltende Vision, die zunächst unklar, aber bald verständlich wird. Die „Gestalten“ erheben sich, bilden „Hauf an Haufen im Getümmel“, was auf eine dynamische, möglicherweise auch chaotische Entwicklung hindeutet. Das „Zucken wie von tausend Flammen“ am „grauverhangnen Himmel“ erzeugt eine beklemmende Atmosphäre, die von Gewalt und Konflikt geprägt zu sein scheint. Die Bilder des Kampfes, des Aufruhrs und der Auseinandersetzung verstärken den Eindruck einer turbulenten Zeit, in der sich die deutsche Nation neu definieren muss.
Die dritte Strophe verstärkt das Gefühl der Dramatik und des Krieges. Das „Knallen“ der „Büchsen“ und das „Wutgeschrei“ durch die Lüfte lassen an einen bewaffneten Konflikt denken. Die „weißen Nebel“ können als Rauch von Schusswaffen interpretiert werden. Das Bild von „Brüdern“, die „stehn und fallen“, deutet auf einen inneren Konflikt, einen Bruderkrieg hin. Die letzten Zeilen, „Hoher Tag und tiefe Grüfte!“, veranschaulichen das ambivalente Gefühl der Zeit, zwischen dem Glanz eines großen Tages und dem Abgrund der Verluste.
Insgesamt ist das Gedicht eine düstere, aber auch kraftvolle Reflexion über die deutsche Identität, die von der Suche nach Fortschritt und dem Kampf gegen die Vergangenheit geprägt ist. Storm scheint die Notwendigkeit einer Veränderung und eines Wandels zu betonen, wobei die Vergangenheit, dargestellt durch „alte Träume“ und „römische Berichte“, als Hindernis erscheint. Die gewaltsame Bildsprache verstärkt das Gefühl der Dringlichkeit und der Notwendigkeit, sich in der sich ständig verändernden Welt zu behaupten.
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Lizenz und Verwendung
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